Im Interview: Betül Türkeri zu Dürre
Schwerpunktthema: Dürre
Betül Türkeri (BT), Projektmitarbeiterin des Zentrum KlimaAnpassung (ZKA), berät Kommunen und soziale Einrichtungen u. a. zu der Frage, wie sie sich klimaresilienter und wasserbewusster entwickeln können. Mit ihrer Expertise für Siedlungswasserwirtschaft und Klimaanpassung untersucht sie, wie Städte einen nachhaltigen Umgang mit der wertvollen Ressource Wasser finden und in der Stadtplanung mitdenken können.
ZKA: In immer mehr Regionen Deutschlands herrscht Grundwasserstress und Dürreperioden werden häufiger. Welche Regionen sind besonders betroffen und was sind die Ursachen für den zunehmenden Wasserstress?
BT: Zunächst einmal ist zur Einordnung des Begriffs „Dürre“ zu sagen, dass es hier vielfältige Definitionen gibt. Dabei handelt es sich um einen relativen Begriff, der stets im Zusammenhang mit den regionalen Niederschlagsverhältnissen betrachtet werden muss. Unter Berücksichtigung des regionalen Kontexts bezeichnet Dürre einen langanhaltenden Extremzustand, bei dem aus hydrologischer, landwirtschaftlicher oder ökologischer Perspektive weniger Wasser zur Verfügung steht, als benötigt wird - einschließlich des Wasserbedarfs von Organismen. Der UFZ-Dürremonitor ist hierzulande ein wichtiges Instrument zur Beurteilung von Trockenheitsrisiken, da er die Bodenfeuchte in verschiedenen Tiefen bewertet und täglich aktualisiert wird.
Grundwasser bildet die zentrale Ressource für unsere Trinkwasserversorgung, da es in vielen Regionen Deutschlands die wichtigste Quelle für sauberes Wasser darstellt. Es sichert die Versorgung von Haushalten, Landwirtschaft und Industrie, besonders in Zeiten geringer Niederschläge. Gleichzeitig ist Grundwasser essenziell für die Funktionen zahlreicher Ökosysteme, da es Feuchtgebiete, Moore, Flüsse und Wälder mit Wasser versorgt und so die Artenvielfalt und ökologische Stabilität erhält. Ein nachhaltiger Umgang mit Grundwasser und Wasser im Allgemeinen ist daher entscheidend, um sowohl die anthropogene Wassernutzung als auch die Gesundheit der Natur langfristig zu gewährleisten.
Grundwasser steht auch mit Oberflächenwasser in engem Austausch: In Feuchtgebieten speist das Grundwasser die Flüsse, sodass sie auch in Trockenzeiten länger Wasser führen. Umgekehrt bleibt auch der Grundwasserspiegel durch die Nähe zum Fluss hoch. Naturnahe bzw. renaturierte Flüsse, Seen und Auen fördern entsprechend diesen stabilisierenden Kreislaufes und machen Gewässer widerstandsfähiger gegen Austrocknung.
Laut der BUND-Studie „Grundwasserstress in Deutschland“ (2025) sind deutschlandweit etwa die Hälfte der Landkreise von Grundwasserstress betroffen - besonders stark in Brandenburg, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie die Ballungszentren und bestimmte Landkreise mit struktureller Übernutzung. In diesen Regionen wird dem Grundwasser mehr als die empfohlene Menge von 20 Prozent des neu gebildeten Grundwassers entnommen, vor allem durch intensive Landwirtschaft, Industrie und Bergbau. Zusätzlich verschärft der Klimawandel die Situation durch längere Trockenperioden und veränderte Niederschlagsmuster. Dadurch drohen negative Folgen für Ökosysteme und die Wasserversorgung. Die Ursachen für regionalen Grundwasserstress sind komplex. Die Autor*innen machen deutlich, dass es notwendig ist, auf Landkreisebene mehr Daten zu sammeln, um die genauen Gründe für die öffentlichen und privaten Wasserentnahmen besser nachvollziehen zu können.
Schwerpunktthema: Dürre
ZKA: Kommunen stehen vor der Aufgabe, sich an zunehmende Trockenheit anzupassen. Welche konkreten Maßnahmen können in dicht bebauten, urbanen Gebieten umgesetzt werden, um für zunehmende Trockenheit vorzusorgen?
BT: Zunächst ist Wasser für die Klimaanpassung von zentraler Bedeutung. Ohne ein klimaangepasstes Wassermanagement fehlen Schutzmaßnahmen gegen Starkregen, ausreichende Wasserspeicher für städtisches Grün in Trockenperioden und die natürliche Verdunstungskühlung, die Hitzebelastungen mindert.
In den Städten wird das Konzept der Schwammstadt (siehe ZKA-Erklärvideo) als ein inzwischen breit akzeptierter Ansatz verfolgt. Es wird nicht nur in vielen Kommunen umgesetzt, sondern ist auch fester Bestandteil der Nationalen Wasserstrategie. Mit verschiedenen Maßnahmen wird der städtische Wasserkreislauf wieder einem natürlichen Wasserkreislauf angenähert und so eine klimaresiliente und wasserbewusste Stadtentwicklung gefördert. Dazu gehören u.a. mehr Entsiegelung, intelligentes Regenwassermanagement, Zisternen und trockenheitsverträgliche Bepflanzung. Die Summe dieser dezentralen Maßnahmen reduziert bei Starkregen das Risiko vor Überflutungen, trägt zur Grundwasserneubildung durch Versickerung bei und hat positive Auswirkungen auf das Mikroklima und die Biodiversität.
Ergänzend müssen wir Wasser gezielt speichern und den Verbrauch besser überwachen. Wichtig ist, dass Stadt und Land dabei gemeinsam denken – viele Abhängigkeiten verlaufen über Verwaltungsgrenzen hinweg. Denn nur mit einem nachhaltigen Wasserkreislauf wird die zuverlässige Versorgung von Mensch, Natur, Industrie und Energieversorgung jederzeit sichergestellt.
Um Trinkwasser zu schonen oder zu sparen, kann für bestimmte Zwecke auf alternative Wasserressourcen zurückgegriffen werden, beispielsweise Regenwasser oder aufbereitetes Grauwasser für den Garten oder die Toilettenspülung. Durch effiziente Technik kann zusätzlich der allgemeine Verbrauch reduziert werden. All diese Maßnahmen entlasten die Trinkwasserversorgung in Zeiten von Trockenheit und sinkenden Grundwasserspiegeln.
ZKA: Welche Ansätze werden eher im ländlichen Raum im Umgang mit Trockenheit und Dürre verfolgt? Welche guten Beispiele gibt es hier?
BT: Im ländlichen Raum trägt die Gestaltung von Schwammregionen zur Vorsorge für Trockenzeiten sowie für Starkregenereignisse gleichermaßen bei. Dies wird in einigen Regionen Deutschlands, beispielsweise in Bayern, bereits gefördert und umgesetzt. Das Moorprojekt Möllmer Seewiesen in Brandenburg wiederum speichert Wasser in Wald und Landschaft und ermöglicht eine landwirtschaftliche Nutzung in renaturierten Moorgebieten.
Die Region Hannover stellt ein gutes Beispiel dar, wie Stadt-Umland-Beziehungen im Grundwassermanagement gemeindeübergreifend und integriert gestaltet werden können. Im Rahmen ihrer Wasserstrategie setzt die Region auf die „Allgemeinverfügung Bewässerung“. Diese regelt gezielt und zeitlich begrenzt die Nutzung von Beregnungsanlagen, um Wasserverluste zu reduzieren und das Grundwasserniveau langfristig zu stabilisieren. Diese Regelung ist eine Möglichkeit der strategisch vorsorgenden Entscheidungsfindung bei der Bewilligung von Wasserentnahmen auf wissenschaftlicher und wasserrechtlicher Grundlage.
Ich bin schon sehr gespannt auf die Leitlinien zum Umgang mit Wasserknappheit, die derzeit im Auftrag des Umweltbundesamtes entwickelt werden. Darin werden Maßnahmen zur Priorisierung der Wassernutzung und zur Förderung naturnaher, klimaresilienter Infrastruktur gebündelt. Das hilft Kommunen dabei, künftig transparente Wasserhaushaltsdaten zu erheben, Nutzungskonflikte durch Priorisierungsregeln zu managen und Schwammstadt-Konzepte sowie blau-grüne Infrastruktur weiter in ihre kommunale Planung zu integrieren.
ZKA: Eine persönliche Frage: Warum begeistert du dich für diese Themen und was macht dir Mut für die Zukunft?
BT: Die Ressource Wasser ist für unser Leben so kostbar. Auch deshalb ist sie der zentrale Baustein in der Klimaanpassung. Wenn man sich umschaut, häufen sich zwar die Schlagzeilen um Waldbrände, Warnungen vor Wasserknappheit oder Ernteausfälle. Doch ich beobachte auch ein erhöhtes Bewusstsein für die Notwendigkeit zum nachhaltigen Umgang mit Wasser. Der Konsens zur Entwicklung wasserbewusster Städte oder die verschiedenen Kooperationen zwischen der Wasserbranche und einer Vielzahl von Akteuren machen deutlich, dass wir alle gefragt sind, unseren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten. Als ich damals für mein Forschungsprojekt in Istanbul war, fand ich es inspirierend zu sehen, dass die historischen Zisternen der Metropole mit Blick auf die Situation heute wieder an Bedeutung gewinnen und es Überlegungen gab, diese wieder zu reaktivieren. Es sollte uns wichtig sein, gut vorzusorgen und das Wasser wieder verstärkt seinen natürlichen Kreislauf nehmen zu lassen, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land.
Betül Türkeri vom Zentrum KlimaAnpassung