Interview mit Jonas Wohlgemuth

Klimaanpassungsmanager in Erftstadt

8 Fragen – 8 Antworten

1. Wo arbeiten und wirken Sie?

In unmittelbarer Nähe zu den Großstädten Bonn und Köln grenzt Erftstadt direkt an den Naturpark Rheinland, einem Naherholungsgebiet mit rekultivierter Wald- und Seenlandschaft eines ehemaligen Braunkohleabbaugebietes. Auf einer Fläche von ca. 119 km² leben insgesamt 52.0000 Einwohner*innen. Somit ist Erftstadt die flächengrößte Kommune im Rhein-Erft-Kreis. Vom Süden kommend verläuft die Erft zwischen den beiden größten Stadtteilen Liblar und Lechenich und bildet somit das blaue Band durch Erftstadt.

2. Was bedeutet für Sie Klimaanpassung?

Da ich aus dem Bereich der Pflanzenwissenschaften komme bedeutet Klimaanpassung für mich, naturbasierte bzw. natürliche Prozesse so zu nutzen, dass die Folgen des Klimawandels entweder abgemildert bzw. geschwächt oder sogar nutzbar gemacht werden. Für mich ist die Nutzung und Integration von Grün essenziell für den weiteren Prozess in der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen und der Stärkung der Resilienz unserer Städte und Kommunen. Darüber hinaus zeichnet sich für mich die Klimaanpassung durch ihre Vielfältigkeit aus, welche Prozesse, Themenfelder und Maßnahmen betrifft.

Klimaanpassungsmanager Jonas Wohlgemuth

Jonas Wohlgemuth, Klimaanpassungsmanager in Erftstadt

3. Mit welchen Herausforderungen der Klimakrise ist Ihre Kommune konfrontiert?

Im Juli 2021 gehörte Erftstadt zu den am schwersten betroffenen Städten infolge des Starkregens und des anschließenden Hochwassers in West- und Mitteleuropa. Daher steht die Stadt vor großen Herausforderungen im Umgang mit Starkregen und Hochwasser. Es besteht ein hoher Handlungsbedarf, die Siedlungsstruktur an die Folgen des Klimawandels anzupassen und auch die Flächenstrukturen rund um die Stadtteile zu optimieren, wie die Ereignisse der vergangenen Jahre gezeigt haben. Aufgrund der stark drainierten (Einbau unterirdischer Entwässerungssysteme) Ackerflächen um Erftstadt herum ist die Anpassung dieser Flächen ebenso wichtig wie die der urbanen Strukturen. Darüber hinaus sind die zunehmenden Hitzetage und Hitzewellen, besonders für vulnerable Gruppen, deutlich spürbar.

Künftig sollen die derzeit in Entwicklung befindliche Starkregenanalyse, das Hochwasserschutzkonzept und die Stadtklimaanalysen, die sich auf Hitze-Hotspots und Kaltluftvolumenströme konzentrieren, dazu beitragen, die gefährdeten Bereiche und notwendigen Anpassungsmaßnahmen genauer zu definieren. Dies soll die planerische Vorsorge verbessern und die Stadt besser auf zukünftige Klimaherausforderungen vorbereiten.

4. Welche Klimaanpassungsmaßnahmen wurden oder werden noch in Ihrer Kommune umgesetzt?

Mit der Einrichtung der Stelle des Klimaanpassungsmanagements (KAM) und der damit verbundenen Erarbeitung des Klimaanpassungskonzeptes wurde im April 2023 der erste Schritt getan. Durch die Entwicklung des Konzeptes und die daraus resultierenden Kernziele sowie die folgenden Maßnahmenpakete werden die Grundlagen geschaffen, um diese Ziele sowohl kurzfristig als auch langfristig zu realisieren. Die Maßnahmen werden sich über viele Themenbereiche erstrecken, darunter „Natur & Landschaft“, „Gesundheit“ und „Stadt“.

Im Rahmen der Arbeit des KAM werden Klimaanpassungsthemen auch bei aktuellen und zukünftigen Bebauungsplänen adressiert und diskutiert. Verschiedene Klimaanpassungsthemen werden zudem bei öffentlichen Veranstaltungen thematisiert, um für deren Auswirkungen zu sensibilisieren. Ein zentraler Aspekt ist der jährlich stattfindende Klimaanpassungsrundgang in und um Erftstadt. Langfristig geht es auch in Erftstadt darum, die Klimaanpassungsthemen in der Verwaltung zu verankern, um sicherzustellen, dass Anpassungsbelange bei Planungen grundsätzlich mitgedacht werden.

5. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Klimaanpassungsmanager*in Ihrer Kommune?

Eine meiner wichtigsten Aufgaben als Klimaanpassungsmanager ist es, die Anpassungsbelange innerhalb der Verwaltung zu verankern und die vielfältigen damit verbundenen Aufgaben zu koordinieren. Das Ziel muss sein, dass Klimaanpassung grundlegend mitgedacht wird. Weitere Aufgaben umfassen:

  • Koordination und Organisation des Erarbeitungsprozesses für das Klimaanpassungskonzept in Erftstadt
  • Koordination und Planung der Maßnahmenumsetzung
  • Planung und Organisation von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Informationskampagnen sowie von Workshops und Veranstaltungen
  • Teilnahme an regionalen und überregionalen Netzwerktreffen
  • Ansprechpartner innerhalb der Verwaltung für Klimaanpassungsthemen
  • Vernetzung innerhalb der Stadtverwaltung mit allen für Klimaanpassung relevanten Abteilungen und Ämtern
  • Förderung der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren

6. Welches sind die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag?

Die Etablierung und Akzeptanz der Klimaanpassung innerhalb der Verwaltung sowie das Verdeutlichen der Vorteile verschiedener Anpassungsmaßnahmen sind zentrale Herausforderungen. Ebenso wichtig ist es, die Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen in Planungsprozesse sicherzustellen. Doch der Spagat zwischen hohen Ansprüchen und der Realität in der Verwaltung gestaltet sich oft schwierig. Viele Kommunen sind finanziell schwach und verfügen nicht über ausreichende personelle Ressourcen. Dadurch können viele Maßnahmen nicht umgesetzt werden, und der zusätzliche Aufwand ist oft nicht zu bewältigen. Aus diesem Grund scheitern viele Projekte schon in der Anfangsphase. Zudem ist die Eigenfinanzierung vieler Maßnahmen und Projekte oft nicht möglich oder nur schwer zu realisieren. Dies führt dazu, dass viele Kommunen auf Fördermittel angewiesen sind, die jedoch zeit- und ressourcenintensiv sind und oft nur kurzfristige Lösungen bieten.

7. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften braucht eine Klimaanpassungsmanager*in?

Ausdauer und Hartnäckigkeit, sowie ein offenes und selbstbewusstes Auftreten gehören zu den Grundlegenden Eigenschaften, die ein/eine Klimaanpassungsmanager* in mitbringen sollte. Eine gute Kommunikations- und Vernetzungsfähigkeit können dabei helfen, verschiedene Akteur*innen zu überzeugen und zu motivieren. Darüber hinaus ist es sicherlich von Vorteil, komplexe Sachverhalte verständlich erklären zu können. Ein solides Verständnis der naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und seiner Auswirkungen ist vorausgesetzt. Dieses Wissen ermöglicht es, fundierte Entscheidungen treffen und die richtigen Maßnahmen ergreifen zu können.

8. Wenn Sie sich als Klimaanpassungsmanager*in etwas wünschen könnten, was wäre das?

Klimaanpassung und Klimaschutz müssen zu Gemeinschaftsaufgaben werden, um eine grundlegende Finanzierung zu sichern und mit dem Tempo des Klimawandels Schritt zu halten. Die derzeitigen projektbezogenen Förderungen binden zu viele Kapazitäten, alleine für die Antragstellung.

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