Wie naturbasierte Lösungen bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels helfen können

Das Potenzial von naturbasierten Lösungen für die Klimaanpassung

Unter naturbasierten Lösungen (NbL) werden Maßnahmen verstanden, durch die Ökosysteme geschützt, nachhaltig bewirtschaftet und wiederhergestellt werden. Darüber hinaus dienen sie dem menschlichen Wohlbefinden und der biologischen Vielfalt. Solche Maßnahmen sind auch gemeint, wenn von blau-grüner Infrastruktur, naturnahen Lösungen oder natürlichem Klimaschutz die Rede ist. 

Einer der großen Vorteile von naturbasierten Lösungen liegt in ihrer Multifunktionalität.

  • Naturbasierte Lösungen können gleichzeitig in ökologischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Hinsicht nützlich sein und somit mehreren Herausforderungen zugleich begegnen. 
  • Mit Blick auf die Klimakrise liegt der große Mehrwert naturbasierter Lösungen darin, dass Ökosysteme mit ihrer Hilfe (wieder) resistenter und leistungsfähiger (z.B. Treibhausgase binden) werden, was gleichermaßen zum Biodiversitätserhalt, zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung beiträgt (BMZ 2021).
  • Dank des Mehrfachnutzens und der Synergieeffekte, die mit naturbasierten Lösungen erzielt werden können, gelten sie als kosteneffizient und als sinnvolle Alternative oder Ergänzung zu „grauer Infrastruktur“, also etwa Dämmen, Abwasser- und Wasserversorgungsystemen mit Rohren und Stauraumkanälen (Bulkeley 2020, Trapp & Winker 2020).

Diese Vorteile naturbasierter Lösungen lassen sich auf lokaler Ebene nutzen. In Städten z.B. sorgen grüne Dächer und Fassaden, Parks und Straßenbäume sowie Wasserflächen für Abkühlung bei Hitze. Gleichzeitig tragen entsiegelte Flächen zum Regenwasserrückhalt und zur dezentralen Versickerung bei und beugen so Überschwemmungen vor. 

Laut einer Umfrage zur Wirkung der Deutschen Anpassungsstrategie, setzen bereits 74% der befragten Kommunen Anpassungsmaßnahmen um oder planen solche. Die klimaangepasste Auswahl der Baum- und Pflanzenarten ist hier die am häufigsten genutzte Maßnahme, die den naturbasierten Lösungen zugeordnet werden kann. Dies gaben 65 % der befragten Kommunen an. 62% betreiben ökologischen Hochwasserschutz, 48% schaffen Niederschlagsretentionsräume in Siedlungen, 47% begrünen Dächer und Fassaden (Hasse & Willen 2019: 56).

Beispiele naturbasierter Anpassungsmaßnahmen in Städten

Gerade in Städten wird es heißer. Ein wirkungsvolles Mittel zur Reduzierung des städtischen Hitzeinseleffekts ist ein erhöhter Grünflächenanteil. Effektiv ist weiterhin die Verbindung der Grünflächen miteinander durch unbebaute Korridore, in denen die Luft zirkulieren kann. Parks, grüne Dächer und Fassaden als Teile der grünen Infrastruktur einer Stadt fördern die lokale Biodiversität und die Aufenthaltsqualität für die Bewohner*innen, da sie die Lufttemperatur senken, die Luftqualität verbessern, die menschliche Gesundheit fördern und einen Erholungsraum bieten können (Umweltbundesamt 2021). So kann zum Beispiel im temperierten nordeuropäischen Klima eine begrünte Fassade die Innenraumtemperatur um rund 2.7°C und die Umgebungslufttemperatur um 1.7 bis 3.0°C senken. Eine städtische Grünanlage reduziert die Temperatur der Umgebung um 0.5 bis 7°C tagsüber und rund 1.2° C nachts (Morison & Hartley 2020). Verschattungselemente im öffentlichen Raum und an Gebäuden dienen zusätzlich der Kühlung. Diese können entweder naturbasiert sein, wie z.B. grüne Fassaden oder Straßenbäume, oder technisch, wie z.B. gebaute schattige Passagen für Fußgänger*innen (Klimaanpassung NRW (n.d.), Steinrücke et al. 2017). 

Nicht nur (sommerliche) Hitzeperioden und Trockenheit nehmen zu, sondern auch Starkniederschläge häufen sich und können intensiver ausfallen. Um daraus folgenden Überschwemmungen vorzubeugen, empfiehlt es sich, mehr Versickerungsflächen im städtischen Raum zu schaffen und auch durch Entsiegelungen und Dachbegrünungen mehr Wasserrückhalt zu ermöglichen (Klimaanpassung NRW n.d.). Im naturbasierten „Schwammstadt“-Konzept fließt so wenig anfallendes Regenwasser wie möglich direkt in die Kanalisation ab, sondern versickert oder verdunstet größtenteils lokal in entsiegelte Flächen, Gründächer oder andere Grünflächen. Durch dieses dezentrale Regenwassermanagement wird die Abwasserkanalisation entlastet und ein Überlaufen verhindert. Gleichzeitig steht kleinräumig mehr Wasser zur Verfügung, das eine kühlende Wirkung auf das Mikroklima in der Umgebung haben kann (Die Bundesregierung 2020, Hamburg n.d., Berliner Regenwasseragentur 2021).

Naturbasierte Lösungen für die Klimaanpassung im städtischen Umland und im ländlichen Raum

Am Stadtrand und im ländlichen Raum ist ebenfalls Potenzial für naturbasierte Maßnahmen zur Klimaanpassung vorhanden. U.a. zählt die naturnahe Waldnutzung dazu. Die Lübecker Forsten zum Beispiel werden seit 20 Jahren naturnah bewirtschaftet, was der Biodiversität zugutekommt, den Wasserhaushalt ausgleicht und damit den Wald allgemein weniger anfällig für Waldbrände oder Trockenheit macht (Hansestadt Lübeck 2022). In Bayreuth wurde vor vier Jahren mit dem Waldumbau begonnen und klimaangepasste Baumarten angepflanzt. Auch diese Maßnahme verbessert durch die Artenvielfalt die Resilienz des Waldes gegenüber dem Klimawandel (Umweltbundesamt 2018).

Weitere naturbasierte Maßnahmen betreffen den Wasserkreislauf: Moore können wieder vernässt werden, indem Entwässerungsgräben wieder verschlossen werden. Dies geschieht zum Beispiel unter Einbindung von Freiwilligen im Nationalpark Jasmund. Intakte Moore regulieren den Wasserhaushalt einer Region und beugen Hitze und Trockenheit vor (Umweltbundesamt 2017). Gleichzeitig sind Moore als Kohlenstoffsenken für den Klimaschutz wichtig, denn das organische Material wird in Mooren nicht zersetzt, und somit kein CO2 emittiert, sondern gespeichert. Wenn Torf abgebaut wird, werden diese Treibhausgase freigesetzt (BUND 2020a). Wiedervernässte, intakte Moore reduzieren somit die Treibhausgasemission (BMUV 2022b). Naturnahe Auen, wie die Hohe Garbe in Sachsen-Anhalt, die wieder an die untere Mittelelbe angeschlossen worden ist, leisten einen Beitrag zu mehr Biodiversität und zur Bestandserholung bestimmter Fischarten, sodass diese relevant für die Flussfischerei werden. Damit ergäbe sich auch ein neuer Wirtschaftszweig – in Ergänzung zur klimawandelbedingt beeinträchtigen Seefischerei. Weil Auen außerdem beträchtliche Wasserspeicher darstellen und die Fließgeschwindigkeit des Flusses verlangsamen, tragen sie sowohl zum Hochwasserschutz als auch zur Verhinderung von Dürre bei (Umweltbundesamt 2012, BUND 2020b). 

Weiterer Handlungsbedarf bei der Umsetzung naturbasierter Lösungen

Laut dem Bericht zur Wirkung der Deutschen Anpassungsstrategie für die Kommunen, geben mehr als die Hälfte der beteiligten Kommunen an, auf Hemmnisse bei der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen zu stoßen. Am häufigsten wurden „knappe Ressourcen zur Vorbereitung (55 %) und zur Umsetzung“ (49 %) solcher Maßnahmen als Hinderungsgründe angegeben. Mangelnde Akzeptanz seitens Politik und Verwaltung schien den befragten Kommunen hingegen kein relevantes Hindernis zu sein (Hasse & Willen 2019: 57). 

Die Umsetzung von NbL für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels erfolgt laut Umweltbundesamt bislang jedoch in zu geringem Ausmaß, als dass dies einen nennenswerten Einfluss auf Biodiversitätserhalt und Resilienz haben könnte. Zudem werden naturbasierte Ansätze bisher vor allem in Pilotprojekten angewandt, statt regulär und flächendeckend. Dies kann laut aktueller Forschung außerdem an Interessenskonflikten, unpassender institutioneller Organisation, mangelnder Zusammenarbeit und unklarer Rechtslage sowie an einem Mangel an Wissen und Erfahrung liegen (Umweltbundesamt 2021). Um die Umsetzung naturbasierter Ansätze voranzubringen – was eine Querschnittsaufgabe darstellt –, bedarf es einer integrierten Planung auf kommunaler Ebene und demnach der Zusammenarbeit und Koordination verschiedener Ressorts mit ihren jeweiligen Expertisen. Dabei sind die Fachämter für Grünflächen, Stadt- und Landschaftsplanung, das Facility Management kommunaler Gebäude sowie die Bereiche Verkehr, Energie und Abfall besonders relevant (Umweltbundesamt 2021, HLNUG 2017). 

Fördermöglichkeiten für naturbasierte Lösungen

Zu Fördermöglichkeiten für naturbasierte Maßnahmen in der Klimaanpassung informiert diese Übersicht des Zentrum Klimaanpassung.

Oder durchsuchen Sie unsere Förderdatenbank im Themenfeld naturbasierte Lösungen 

 

Die Schwammstadt: Naturbasierte Lösungen und ihr Beitrag zur wassersensiblen Stadtgestaltung

Das Schwammstadtkonzept 

In einem neuen Erklärvideo zeigen wir, wie Städte wassersensibel, klimaangepasst und lebenswerter gestaltet werden können.

Weiterführende Informationen und Links

Inspiration zu NbL Maßnahmen in Europa und weltweit findet sich im Urban Nature Atlas, der vom Forschungsprojekt Naturvation erarbeitet wurde und Informationen zu Maßnahmen, deren Planung, Wirkung, Finanzierung und Umsetzung zeigt (Naturvation 2017-2022)

Weiterhin bietet der IUCN Global Standard for NbS Orientierung für die Planung und Umsetzung von NbL Maßnahmen (IUCN 2020).

Auch die Praxisbeispiele des ZKA-Newsletter zu Naturbasierten Lösungen zeigen erfolgreich umgesetzte naturbasierte Maßnahmen.

Die Fachbroschüre "Ziele und Politikinstrumente für klimaresiliente Schwammstädte" des Umweltbundesamtes verschafft einen guten Eindruck über politische Aspekte der Umsetzung von NbL.

Literaturliste

Berliner Regenwasseragentur (2021): Hintergrund, unser Auftrag, abrufbar hier

BMUV (2022): Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz – Eckpunktepapier, abrufbar hier.

BMZ (2021): Naturbasierte Lösungen Factsheet, abrufbar hier

Bulkeley, H. (2020). Introducing Nature-based Solutions. Cities, Nature and Innovation: New Directions, Mccormick, K. (Ed.), Lund University.

BUND (2020a): Klimaschutz & mehr: Was intakte Moore für uns leisten, abrufbar hier.

BUND (2020b): “Lebendige Auen für die Elbe“ für den Blauen Kompass 2020 nominiert, abrufbar hier.

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2021): Klimaanpassung auf verschiedenen räumlichen Ebenen, abrufbar hier.

Cohen-Shacham, E., Walters, G., Janzen, C., & Maginnis, S. (2016). Nature-based solutions to address global societal challenges. IUCN, Gland, Switzerland, 97.

Die Bundesregierung (2020): Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, abrufbar hier.

Europäische Kommission (2021): Forging a climate-resilient Europe – the new EU Strategy on Adaptation to Climate Change, abrufbar hier.

Hansestadt Lübeck (2022): Naturwald Akademie - Forschung für alte Bäume und Wildnis im Wald, abrufbar hier.

Hamburg - Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (n.d.): Transformationspfad Klimaanpassung, abrufbar hier

Hasse, J., & Willen, L. (2019). Umfrage Wirkung der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) für die Kommunen. Teilbericht, abrufbar hier.

HLNUG 2017: Leitfaden für Kommunen „Anforderungen an die Berücksichtigung klimarelevanter Belange in kommunalen Planungsprozessen – Leitfaden für Kommunen“, abrufbar hier

IUCN (2020). Global Standard for Nature-based Solutions. A user-friendly framework for the verification, design and scaling up of NbS. First edition. Gland, Switzerland: IUCN, abrufbar hier.

Klimaanpassung NRW (n.d.): Handlungsfeld Planung, abrufbar hier

Kabisch, N., Korn, H., Stadler, J., & Bonn, A. (2017). Nature‐based Solutions to Climate Change Adaptation in Urban Areas. Theory and Practice of Urban Sustainability Transitions.

Morrison, R. & Hartley, S. (2020): IGNITION Nature-Based Solutions – Evidence Base Headline Findings Report, abrufbar hier.

Naturvation (2017-2022): Urban Nature Atlas, abrufbar hier.

Reusswig, F.; Becker, C.; Lass, W.; Haag, L.; Hirschfeld, J.; Knorr, A.; Lüdeke, M.K.B.; Neuhaus, A.; Pankoke, C.; Rupp, J., Walther, C.; Walz, S.; Weyer, G.; Wiesemann, E. (2016): Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Berlin (AFOK). Klimaschutz Teilkonzept. Teil I: Hauptbericht; Teil II: Materialien. Potsdam, Berlin.

Steinrücke, M., Ahlemann, D., Schrödter, S., Loos, G.H., Eimer, U., Leifert, C., Meyer, A., Trampnau, B. (2017): Klimaanpassungskonzept für Recklinghausen, abrufbar hier

Trapp, J. H., & Winker, M. (2020). Blau-grün-graue Infrastrukturen vernetzt planen und umsetzen. Ein Beitrag zur Klimaanpassung in Kommunen. Deutsches Institut für Urbanistik: Berlin, abrufbar hier.

Umweltbundesamt (2012): Lebendige Auen für die Elbe, abrufbar hier.

Umweltbundesamt (2017): Moorwiedervernässung durch ehrenamtliches Engagement: Arbeit mit gesellschaftlicher Gewinnerwartung, abrufbar hier.

Umweltbundesamt (2018): Klimawandel Bayreuth, abrufbar hier.

Umweltbundesamt (2019): Anpassung auf kommunaler Ebene, abrufbar hier.

Umweltbundesamt (2021): Naturbasierte Lösungen für klimaresiliente europäische Städte, abrufbar hier.

Wamsler, C. (2013). Cities, Disaster Risk and Adaptation. Abingdon and New York: Routledge (Chapter 4-5).

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