„Wie sich die Klimakrise auf die Gesundheit auswirkt - Gesundheitsrisiko Hitze“

Im Interview mit Dr. phil. Julia Schoierer, Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU)

Die Klimakrise beeinflusst nicht nur unsere Umwelt, sie wird zunehmend auch zu einem Gesundheitsrisiko. Vor allem die Häufigkeit, Dauer und Intensität von Hitzewellen in Deutschland haben zugenommen. Die Hitzesommer 2003, 2015, 2018 oder 2019 aber auch der vergangene Sommer 2022 haben die gesundheitlichen Auswirkungen der starken Hitzewellen verdeutlicht. Doch wie wirkt sich dieser Hitzestress auf den Körper aus? Wer ist besonders gefährdet und was kann getan werden? Wir haben uns mit Dr. Julia Schoierer zu diesem Thema unterhalten. Dr. Julia Schoierer promovierte an der Fakultät für Erziehungswissenschaften der LMU München im Schwerpunkt Medizinpädagogik. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf den gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise.

 

ZKA: Hitze und Gesundheit hängen unmittelbar zusammen. Wann werden die Auswirkungen von Hitze – wie anhaltend heiße Tage, Tropennächte und Wärmeinseln in aufgeheizten Innenstädten - gefährlich?

Dr. Schoierer: Häufigkeit, Dauer und Intensität von Hitzewellen sind ganz entscheidende Faktoren. Je länger eine Hitzewelle andauert und je höher die Temperaturen sind, desto gefährlicher ist das für den Körper.

Die Hitze belastet den Körper direkt und je länger die Hitze besteht, desto schwerer fällt die Regeneration. Zudem heizen sich bestimmte Gebiete in den Städten bei länger andauernder Hitze umso stärker auf, genauso wie die Innenräume.

Wenn Temperaturen tagsüber lange Zeit hoch bleiben, dann kühlt es auch nachts nicht ab. Hier kommt es dann zu sogenannten Tropennächten – heißt: Nächte, in denen die Temperaturen die 20 Grad nicht unterschreiten. Auch wenn das erst einmal nach Urlaub klingt. Es ist problematisch, da auch bei nächtlichem Lüften keine Kühle in die Innenräume kommt.

Außerdem verstärken die hohen nächtlichen Temperaturen auch den sogenannten Wärmeinseleffekt. Diese Wärmeinseln entstehen in den städtischen Gebieten, die stark versiegelt und dicht bebaut sind. Wo Grün, also Bäume oder Parkanlagen und auch Blau, mit Bächen oder Flüssen fehlen. Wo die Frischluftschneisen verbaut worden sind. Die Hitze des Tages wird in diesen Wärmeinseln von den Gebäuden und den Straßen gespeichert und nachts wieder abgegeben. Wer in so einer Wärmeinsel wohnt oder arbeitet, der ist natürlich der Hitze deutlich stärker ausgesetzt. Dort können die Temperaturen nachts zehn Grad wärmer sein als im Umland.

ZKA: Was passiert bei Hitze im Körper?

Dr. Schoierer: Ein gesunder Körper kann durch Thermoregulation die Hitze bis zu einer gewissen Temperatur gut kompensieren. Es setzen dann Kühlmechanismen des Körpers ein. Die Blutgefäße werden erweitert und der Körper verlagert mehr Blut in die Haut. Das heißt die Wärmeabgabe über die Haut findet statt.

Der zweite Kühlmechanismus ist das Schwitzen. Diese Verdunstungskühle sorgt für eine Kühlung des Körpers. Diese Kühlmechanismen bedeuten aber auch eine starke Belastung des Herz-Kreislauf-Systems und ein Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten.

ZKA: Was sind die Folgen? Welche Beschwerden treten auf und wie gefährlich sind diese?

Dr. Schoierer: Die Hitzebelastung trifft alle Menschen quer durch die Bevölkerung. Das Spektrum erstreckt sich von Einschränkungen im Wohlbefinden bis zur Verringerung unserer Leistungsfähigkeit. Es kann aber auch zu schwerwiegenden Hitzeerkrankungen führen und auch zu hitzebedingten Sterbefällen. Bei einer extremen Hitze droht eine Überhitzung des Körpers, welche zusammen mit dem Wasser- und Elektrolytverlust vor allem das Gehirn, das Herz, die Lunge und die Nieren belastet. Ganz allgemein fühlen wir uns bei Hitze erschöpft und unruhig. Es können auch Zustände von Verwirrtheit bzw. kognitiver und geistiger Verlangsamung eintreten, oder ein Schwächegefühl. Auch können sich bestehende Erkrankungen verschlechtern sowie eine erhöhte Unfallgefahr eintreten. 

Wenn wir uns die Organe ein bisschen genauer anschauen:, zum Beispiel das Gehirn: Es kann unter anderem zu Schwindel, Schlafstörungen, Müdigkeit und aber auch zu einer erhöhten Aggressivität und Gewaltbereitschaft kommen. Hitze erhöht auch die Belastung durch Atemwegserkrankungen und kann in Kombination mit Luftschadstoffen diese zusätzlich verschlimmern.  

Die Hitze belastet das Herz-Kreislauf-System stark. Sie kann kardiovaskuläre Erkrankungen verschlimmern und erhöht auch das Risiko für Herzinfarkte. Außerdem besteht durch Hitze eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Nierenerkrankungen wie akute oder chronische Niereninsuffizienz, also Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Nieren.  

ZKA: Wer ist besonders betroffen und warum?

Dr. Schoierer: Manche Personengruppen sind verletzlicher gegenüber Hitzeerkrankungen als andere. Es kommt aber immer darauf an, welche Faktoren dabei zusammenspielen.

Zum Beispiel das Alter, der Gesundheitszustand, auch welche Tätigkeit man ausübt, wo man wohnt und arbeitet. Und auch wie man prinzipiell lebt. Das führt dazu, dass wir bestimmte vulnerable, also verletzliche Personengruppen haben, wie zum Beispiel hochaltrige Menschen. Vor allem sie gehören zur Hochrisikogruppe für hitzebedingte Erkrankungen, da sie sich oftmals nicht mehr so leicht an Hitze anpassen können. Im hohen Alter treffen einfach viele Risikofaktoren zusammen. Wie etwa der Aspekt der chronischen Erkrankungen, dazu eine Medikamenteneinnahme, die in bestimmten Fällen das Risiko für Hitzeerkrankungen erhöhen können. Im Alter ist der Unterstützungsbedarf auch oft sehr hoch, da Selbstversorgung oder Bewegung möglicherweise eingeschränkt sind. Viele Menschen im hohen Alter wohnen zudem auch ganz alleine, ohne Partner*in. Das führt teilweise zu einer sozialen Isolation. Menschen mit diesen Risikofaktoren sind bei Hitze also besonders gefährdet.

Ebenfalls stark betroffen durch die Hitze sind Kinder. Das liegt daran, dass die Thermoregulation im Kindesalter noch nicht voll ausgereift ist. Kinder schwitzen einfach weniger, sie haben auch weniger Flüssigkeitsreserven und sie haben eine höhere Stoffwechselrate. Neben diesen physiologischen Unterschieden spielen aber auch andere Einflussfaktoren eine Rolle. Kinder verbringen einfach mehr Zeit draußen, sind der Hitze mehr ausgesetzt. Dazu können sie die Gefahr von Hitze einfach noch nicht adäquat einschätzen. Auch schwangere Frauen sind von der Hitze gefährdet. Die typischen Probleme in der Schwangerschaft wie Kreislaufprobleme, geschwollene Beine, Hitzewallungen oder Schweißausbrüche sind anstrengend. Der Körper ist in der Schwangerschaft also sowieso schon belastet und wenn dann die Hitze mit dazukommt, erhöht  sich das Gesundheitsrisiko noch mal zusätzlich. Einige Studien weisen darauf hin, dass auch Ungeborene zur Risikogruppe zählen und Hitze zu Frühgeburten sowie zu einem niedrigeren Geburtsgewicht führen können.

Eine weitere Risikogruppe sind obdachlose Menschen. Sie sind der Hitze sowohl nachts als auch tags ausgesetzt. Sie können kaum Maßnahmen des Hitzeschutzes umsetzen, wie etwa durch kaltes Duschen abkühlen, die Kleider wechseln oder auch gesund und wasserreich essen und trinken. Oftmals leiden sie auch unter infizierten Wunden, da diese unter durchgeschwitzter Kleidung nur schwer heilen.

Auch die Menschen, die im Freien arbeiten und/oder körperlich anstrengende Tätigkeiten ausüben sind gefährdet. Da müssen wir nur an das Bauwesen denken, an die Landwirtschaft oder auch an den Gartenbau. Diese Berufsgruppen arbeiten draußen und sind der Hitze ausgesetzt, dazu tragen viele in der Regel auch noch Arbeitsschutzkleidung. Das Problem der wärmeisolierenden Arbeitskleidung besteht übrigens auch bei den Gesundheits- und Pflegeberufen.

ZKA: Welche Hitzevorsorgemaßnahmen können getroffen werden?

Dr. Schoierer: Natürlich kann in den Städten durch bauliche Maßnahmen sehr viel erreicht werden. Aber man kann auch durch Informationen und Sensibilisierung der Menschen viel bewirken. Und zwar dort, wo die Allgemeinbevölkerung, aber auch wo Risikogruppen unterwegs sind. Das heißt zum Beispiel könnten über die öffentlichen Verkehrsmittel ganz klassische Hitzeschutzmaßnahmen eingeblendet und damit in Erinnerung gerufen werden, dass  ausreichend  trinken oder sich vor der Hitze schützen sollte, indem man die Mittagszeiten draußen  meidet.

Auch dort, wo sich die betroffenen Gruppen prinzipiell aufhalten, muss sensibilisiert werden. In Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen, Schulen, Kitas. Hier müssen Hitzeschutzmaßnahmen für alle umgesetzt werden – auch für die Mitarbeitenden. Zum Beispiel das Reduzieren der Innenraumtemperatur durch nächtliches Lüften, das Einrichten eines kühlen Raumes, wo man sich von der Hitze entlasten kann, das Anbieten von Getränken sowie das Anpassen des Tagesprogramms.

Mehr Personal oder der Einsatz von Ehrenamtlichen könnten beispielsweise in Pflegeeinrichtungen das Ausweiten von Pausenzeiten und die Entlastung der Mitarbeitenden ermöglichen. In diesen sensiblen Einrichtungen sollten auch Notfallpläne installiert werden. Das könnte zum Beispiel ein Hitzemaßnahmenplan für stationäre Pflegeeinrichtungen, aber auch für Krankenhäuser sein.

Wenn wir an die Menschen denken, die zur Hochrisikogruppe gehören, wie die älteren Alleinlebenden, dann ist es ganz wichtig, dass eine engmaschige Kontaktaufnahme stattfindet. Hausbesuche müssen umgesetzt werden können, um zu schauen, wie es den Menschen geht und wie die Temperatur in den Innenräumen ist. Auch, ob Hitzeschutzmaßnahmen umgesetzt werden, wie eine luftigere Kleidung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr oder auch kühlende Wickel auf Arme und Beine beziehungsweise auch kühlende Fußbäder, die extrem effektiv sind.

Die Herausforderungen sind also sehr groß, da wir eine Vielzahl von verletzlichen Personengruppen haben, die wir über unterschiedliche Wege erreichen müssen und gleichzeitig die Allgemeinbevölkerung nicht aus dem Blick verlieren dürfen.

Eine weitere Herausforderung, die sehr viel allgemeiner gehalten ist, ist die Brisanz der Lage. Wir können uns einfach nicht mehr so viel Zeit lassen, sondern müssen schnell aktiv werden. Die Zeit drängt, wir müssen sehr schnell handeln, am besten vor diesem Sommer.

Konkrete Praxisbeispiele – so einfach kann Hitzevorsorge sein

Frau Dr. Schoierer kann auch von praxisnahen und nachahmbaren Beispielen berichten, die bereits umgesetzt wurden. Eine Pflegeeinrichtung, mit der das Klinikum der LMU einen Hitzemaßnahmenplan entwickelt hat, hat viele Ehrenamtliche akquirieren können, die im akuten Fall der Hitzeperiode unterstützen. Sie bringen etwa die Bewohner in kühlere Außenanlagen, richten Fußbäder her, versorgen die Bewohner*innen mit Getränken oder sie bringen die älteren Menschen, die noch mobil sind, nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto zu Terminen, sondern mit der Rikscha. Das ist während der Hitze für diese Menschen eine deutlich angenehmere und gesündere Fortbewegungsart und trägt nebenbei zum Klimaschutz bei.

Es gibt viele Möglichkeiten, während der Hitzeperioden Maßnahmen zu ergreifen, die helfen. Das Entscheidende ist die Kommunikation und in die Umsetzung zu kommen.

 

Zur Person:

Dr. Julia Schoierer leitet die AG Globale Umweltgesundheit, Klimawandel & Gesundheit am Institut und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der LMU.

Verschiedene Publikationen: u.a. Mertes H, Schoierer J, Gutknecht T, Hieronimi A, Mambrey V, Schmidt I, Böse-O’Reilly S and Lob-Corzilius T (2021). “Klimawandel und Gesundheit.”, Lob-Corzilius T, Mambrey V, Böse-O'Reilly S, Schoierer J, Mertes H (2020). “Klimawandel in der Kindergesundheit in der Pädiatrie – welche Aufgaben müssen wir bewältigen?“, Schoierer J, Mertes H, Wershofen B and Böse-O’Reilly S (2019). “Fortbildungsangebote zu Klimawandel, Hitze und Gesundheit für medizinische Fachangestellte und Pflegefachkräfte in der ambulanten Versorgung.”

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