Wassersensible Stadtgestaltung

Im Interview mit Dr. Simone Podschun, Zentrum KlimaAnpassung

Wenn es ein Zuviel an Wasser gibt – und Starkregen und Hochwasser werden zunehmen – dann wünscht man sich, dass das Wasser für trockenere Zeiten gespeichert und dann weiter genutzt werden könnte. Dies kann allerdings nur dann gelingen, wenn die Stadt oder einzelne Quartiere wassersensibel oder wasserbewusst‘ geplant und gebaut werden. Eine wassersensible Stadtgestaltung zielt auf einen naturnahen Umgang mit der Ressource Niederschlagwasser ab. Wie das gehen kann und was dabei wichtig ist, darüber berichtet Dr. Simone Podschun in dem folgenden Interview. Sie ist Expertin im Team des Zentrum KlimaAnpassung und promovierte zu dem Thema Klimaanpassung in Städten und Ökosystemleistungen.

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Wassersensible Stadtgestaltung

ZKA: Was kann man sich unter dem Thema wassersensible Stadtgestaltung vorstellen? Was ist eine Schwammstadt?

Simone Podschun: Ich greife einmal auf die der Bund/Länder- Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zurück, die eine wassersensible Stadtgestaltung wie folgt beschreibt:
Eine wassersensible Stadt hat einen weitestgehend naturnahen Wasserkreislauf. Dieser ist  durch Versickerung, Speicherung und Verdunstung von Regenwasser geprägt und trägt so zu einem gesünderen Stadtklima bei. Eine wassersensible Stadtgestaltung stellt eine nachhaltige Stadtentwässerung sicher und reduziert so die Überflutungsrisiken. Ferner bedeutet die wassersensible Stadtgestaltung sowohl wasserwirtschaftliche Extremsituationen, die Schonung von Wasserressourcen als auch den Schutz von Gewässern vor nachteiligen Veränderungen im Blick zu haben. 

Das bedeutet, die Ziele einer wassersensiblen Stadtgestaltung gehen einher mit verschiedenen staatlichen Rahmenbedingungen, angefangen vom Wasserhaushaltsgesetz und der Wasserrahmenrichtlinie über die Deutschen Anpassung Strategie (DAS) bis hin zu dem Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (AnK). 

Heute wird häufig dafür auch der Begriff Schwammstadt-Konzept verwendet, das noch etwas bildlicher beschreibt, wie Städte als Schwamm fungieren und damit das Mehr an Wasser im Starkregenfall oder während der regenreicheren Monate speichern und bei Bedarf wieder abgeben können. ‚Schwammstädte‘ entlasten also das Entwässerungssystem, füllen Grundwasser-Reserven auf, verhindern weitestgehend Überflutungen und verbessern insgesamt das Mikroklima durch die Verdunstung des aufgesogenen Wassers im Hitzefall. 

ZKA: Was bedeutet das für die Umsetzung?

Simone Podschun: Praktisch bedeutet es vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels, dem Wasser in der Stadt sowohl eine zentrale Bedeutung in Planungsprozessen und als auch insgesamt ausreichenden Raum zu geben. Dazu bedarf es eines Zusammenspiels unterschiedlicher Disziplinen Klimaanpassung, Stadtentwässerung, Stadtplanung und -entwicklung, sowie -ökologie, Freiflächenplanung und Gefahrenabwehr. Es ist eine typische Querschnittsaufgabe. 

Wasser ist Ressource und Lebensader und sollte als solche gemanagt werden. Zur Wiederherstellung lokaler Wasserkreisläufe braucht es dezentrale Regenbewirtschaftungs-Anlagen wie z.B. Mulden, (Baum)-Rigolen und Gründächer. Erstere bieten neben Rückhalt- und Speichervolumen für Wasser auch zusätzliche Versickerungsflächen. Es braucht lokal angepasste Konzepte für einzelnen Häuser und Grundstücke, auch auf Quartiersebene, für lokale Gewässereinzugsgebiete bis hin zur Stadt als Gesamtsystem. Dabei hat jede einzelne Stadt individuelle Gegebenheiten und Anforderungen, die mitgedacht werden müssen. Multicodierung ist hier ein wichtiges Stichwort in der Planung: Was im Plan ein Haus darstellt, ist gleichzeitig das Potenzial für ein Gründach. Oder eine Verkehrsfläche mit Begleitgrün und Bäumen hat Potenzial eine „Pore“ des Schwamms zu werden. Viele einzelne Maßnahmen können im Gesamtsystem wirken. Wasser macht eben nicht an Grundstücksgrenzen, Stadteilgrenzen oder Stadtgrenzen halt. Das heißt, dass Städte ggf. auch ihr Umland als wichtigen Faktor und Planungspartner mit einbeziehen sollten.  Entsprechend sind  intensive Vernetzung und eine gute Zusammenarbeit der zuständigen Stellen und Fachdisziplinen Basis für eine erfolgreiche Umsetzung. 

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Die neuen Emscherauen als Beispiel für wassersensibles Planen –  Hochwasserschutz, Biodiversität und Naherholung

ZKA: Das heißt, eine Stadt wassersensibel zu gestalten ist ein komplexer Prozess. Was sind die Herausforderungen bei einer wassersensiblen Stadtgestaltung und wo sind Lösungen in Sicht?

Simone Podschun: Am Anfang steht die Beantwortung der Frage: Wie erreichen wir es, dass wir besser mit Starkregenereignissen und gleichzeitig auch mit wenig Regenwasser in Zeiten ohne Niederschlag umgehen können. Oder anders formuliert: Wie kann unsere Stadt trotz Klimakrise lebenswert und attraktiv bleiben/werden? Die Umsetzung kann dann gelingen, wenn es den politischen Willen und am besten eine interdisziplinäre kommunale Gesamtstrategie gibt. Das fängt damit an, die Akteur*innen an einen Tisch zu holen, die mit dem Thema „Wasser in der Stadt“ zu tun haben, sei es die Stadtentwässerung, die Stadtentwicklung, die Wasserwerke oder die Abteilung Umwelt je nach Stadt- oder Gemeindestruktur. Hier fließen das Wissen, die Daten und die Vorschläge der Fachabteilungen ein und es wird ersichtlich, welche Herausforderungen und welche Chancen existieren und wo ggf. welche Maßnahmen, wie Rückhalteräume, Versickerungsflächen oder naturnah gestaltete urbane Gewässer umgesetzt werden sollten.

Wir können insgesamt zwischen Bestand und Neubau unterscheiden. Bei Quartieren, die neu entstehen, müssen (auch wenn schon viel Umdenken stattgefunden hat) Investoren von den Vorteilen einer wassersensiblen Stadt überzeugt werden und das möglichst frühzeitig, noch lange bevor Pläne formuliert werden. Bei bestehenden Quartieren ist es schwieriger. 
Hier sollten Handlungsfelder (z.B. Sanierungspläne, Mietwechsel) und Flächenpotenziale geprüft werden, um dann mit entsprechenden Anreizen (Fördergelder, Erlass von Abwassergebühren etc.) eine Umstrukturierung hin zu Grün-Blauer Infrastruktur zu schaffen. Nehmen wir beispielsweise ein Krankenhaus: Auf den großen Grundstücken besteht die Möglichkeit, durch das Anlegen von Grünflächen gleichzeitig Flächen für den Rückhalt und die Versickerung von Wasser zu schaffen. Durch den Einsatz von naturbasierten Lösungen wie Pflanzung von verschattenden Bäumen, kühlenden Teichen und Wiesen entsteht eine hohe Aufenthaltsqualität und insgesamt wird der Erholungswert gesteigert. Das zeigt einmal mehr, dass nicht immer komplette und komplexe Infrastrukturen verändert werden müssen, um eine höhere Lebensqualität zu erhalten. 

ZKA: Es geht also auch um einen Erhalt oder Verbesserung der Lebensqualität? 

Simone Podschun: Genau. Ich glaube, das ist auch das Kernargument, mit dem man bei wassersensibler Stadtgestaltung Zielkonflikte lösen kann: Den Mehrwert für die meisten Akteur*innen aufzeigen. Durch eine wassersensible Stadtgestaltung wird neben einem besseren Stadtklima eine erhöhte Lebensqualität erreicht. Dem Wasser insgesamt mehr Raum und Wert beizumessen, bedeutet auch, die lokalen Wasserkreisläufe wiederherzustellen, und die Flächen multifunktional nutzen zu können. 

„Wasser in der Stadt“ wird wieder sichtbar, die Flächen drumherum vielfältig nutzbar. Doch weil der Nutzen nur schwer messbar ist, werden naturbasierte Lösungen oft nicht im Wert erkannt. Die Steigerung von Lebensqualität ist allerdings sehr wichtig für die Vision einer lebenswerten Stadt für Bewohner*innen, Tourist*innen, Investor*innen. 

ZKA: Warum wird die wassersensible Stadtgestaltung eigentlich nicht von jeder Stadt nach vorne gebracht? Gibt es dafür genug Ressourcen?

Simone Podschun: Aus meiner Sicht geht es darum, die Denkweisen und Prozesse zu ändern, was auch im Rahmen der bestehenden Instrumente der Stadtplanung möglich wäre. Es ist letztlich eine Frage der Prioritätensetzung. Fachleute mit Wissen zu den wesentlichen Elementen der wassersensiblen Stadtentwicklung sind in den Kommunen in allen relevanten Abteilungen vorhanden. Gute Beispiele aus anderen Kommunen bieten  Anhaltspunkte, um zu sehen und zu verstehen, wie andere Städte interne Strukturen und Prozesse schaffen, um tragfähige wassersensible Konzepte zu entwickeln.

Fachübergreifend denken und Lösungen zu entwickeln wirft neue Fragen auf: Wenn ich naturbasierte Lösungen habe, dann muss ich auf einmal das Grünflächenmanagement anders gestalten und planen. Ich muss mich fragen: Wem gehört die Fläche? Wen muss ich mit einbeziehen (Wasserwirtschaft, Grünflächenamt etc.)? Und immer wieder stellt sich die Frage nach den Kosten? Wer investiert in naturbasierte Lösungen, wo doch manchmal die Initiierung teurer ist als die Versiegelung und wer profitiert vom geschaffenen Mehrwert? Langfristig gedacht sind naturbasierte Lösungen oft günstiger, weil man sie nicht erneuern muss. Naturbasiert ist zwar mit einem gewissen Aufwand verbunden, was die Pflege anbelangt, doch aufwendige Schäden durch Hochwasser und Trockenheit zu beheben, sind weitaus kostenintensiver. Man muss aber auch das Management planen und das bedarf anderer Strukturen, die wir aktuell eben nicht haben. Es braucht zudem in Zeiten knapper Kassen auch kreative Finanzierungsmodelle. Aber auch hier liegt die Chance in der fachübergreifenden Lösung. 

Das Gespräch führte Martina Müller mit fachlicher Unterstützung des ZKA Teams.

Fischtreppen und Wassertiefbereiche in dem Fluss Dreisam in Freiburg, Deutschland.

Freiburg - Fischtreppen und Wassertiefbereiche, Fotograf: Fabian Weiss

Im Auftrag des:

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