Klimaanpassungskonzept

Im Interview mit Rüdiger Dittmar, ForstAss., Dipl.-Ing. Landschaftsplanung, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig und Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz e. V.

Klimaanpassungsstrategien und -konzepte sind für eine erfolgreiche Implementierung von Anpassungsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung. 
Während sich traditionelle Ansätze oft auf infrastrukturelle und technologische Lösungen konzentrieren, setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass wirksame Klimaanpassungsmaßnahmen auch ein entsprechendes Verständnis der sozialen Dynamik beinhalten müssen. 

Die Integration sozialer Aspekte in Anpassungsmaßnahmen ist entscheidend für deren Erfolg und Nachhaltigkeit. Die Stadt Leipzig bietet in dieser Hinsicht eine überzeugende Fallstudie. In einem kurzen Interview gibt Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig, Einblicke in die Verflechtung sozialer Aspekte mit ihren Klimaanpassungsmaßnahmen und betont die Bedeutung von gesellschaftlichem Engagement, Gleichberechtigung und Inklusion für den Aufbau von Resilienz gegen die Auswirkungen des Klimawandels.

Rüdiger Dittmar - Interview Newsletter Nr. 10

Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig

ZKA: Wo sehen Sie in Leipzig die Schnittstelle von grün-blauer Infrastruktur und sozialer Gerechtigkeit? 

RD: Hochwertige Grün- und Freiflächen sind zentral für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Freiräume in der Stadt schaffen Begegnungsräume, bieten Erholungsmöglichkeiten und fördern aktive Mobilität und erfüllen wichtige soziale Funktionen im Sinne der Integration, Kommunikation und des Zusammenlebens. Bei der Analyse der Grünerreichbarkeit, also der räumlichen Nähe grün-blauer Infrastruktur zum Wohnort, zeigt sich vielerorts eine Kopplung mit sozioökonomischen Faktoren, soziale Benachteiligung macht im Wohnumfeld nicht halt. 
Hier muss die Politik bei der Stadtentwicklung aufmerksam sein und eine ausgewogene Verteilung von Freiräumen anstreben. Im Angesicht eines sich wandelnden Klimas schafft grün-blaue Infrastruktur Entlastung. In Leipzig setzen wir uns dafür ein, den Zugang zu Klimaoasen in Form von Parks, zugänglichen Gartenstrukturen und Gewässern zu verbessern und zu erhalten. 

Naturnahe Strukturen stehen in Anbetracht der Verdichtung – Leipzig gehört zu den am stärksten wachsenden Städten Deutschlands – in ständiger Flächenkonkurrenz mit anderen Nutzungen. Daher setzen wir auch auf die Aufwertung grauer Infrastruktur: Mit dem Straßenbaumkonzept Leipzig 2030 bringen wir im großen Stil Grün in hochverdichtete Straßenzüge. 

Insbesondere in verdichteten Quartieren kommt es auf gebäudebezogene grün-blaue Infrastruktur an, wie naturnahe Innenhöfe und Gärten, sowie grüne Dächer und Fassaden. Leipzig fördert dies im privaten Bereich, elementar ist es allerdings, dass die öffentliche Hand hier mit gutem Beispiel vorangeht.

ZKA: Gibt es spezifische Initiativen oder Projekte in Leipzig, die erfolgreich grüne und blaue Konzepte integriert haben und gleichzeitig soziale Ungleichheiten im Angesicht des Klimawandels angehen?

RD: Um grün-blaue Infrastruktur in verdichtete Bestandsquartiere integrieren zu können, müssen Flächen multifunktional geplant werden. Ein besonders gelungenes Beispiel aus Leipzig ist die Rietzschke-Aue Sellerhausen. Die 2022 fertiggestellte Fläche ist gleichzeitig Erholungsraum für die Bevölkerung, Klimaoase, Retentionsraum sowie Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Neben ihrer Nutzung als städtischer Freiraum steht die Fläche für eine zeitweise Überflutung zur Verfügung und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Abmilderung schadhafter Folgen von Starkniederschlagsereignissen. Künftig wird zudem der Parkbogen Ost Stadtteile in Leipzig, die baulichen, wirtschaftlichen und sozialen Handlungsbedarf aufweisen, mit hochwertiger grün-blauer Infrastruktur und einer Bewegungsachse für aktive Mobilität versorgen.

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Eindrücke aus der Stadt Leipzig

Der Großteil der Bewohner des Ortsteils Paunsdorfer wohnt im Plattenbaugebiet, das in den 1980er Jahren errichtet wurde. Mit über 6.000 Wohnungen ist Neu-Paunsdorf eine der letzten Großwohnsiedlungen des industriellen Plattenbaus der DDR. Der rund 10 Hektar große Bürgerpark im Grünen Bogen Paunsdorf ermöglicht Anwohnenden seit 2014 den Zugang zu einer hochwertigen öffentlichen Freifläche. Diese Anlage hat einen zuvor unterversorgten Stadtteil erschlossen. Landwirtschaftliche Brachflächen, Flächen der ehemaligen Kaserne Heiterblick, Kleingartenanlagen und das „Paunsdorfer Wäldchen“ wurden hier nach und nach in einen Parkring eingebunden und mit modellhaften Strategien zum Naturschutz weiterentwickelt. Den gestalterischen Rahmen des Konzepts bildet eine Allee als Rundweg um das Wohngebiet zu den Freizeitbereichen mit markanten Aufenthalts- und Aussichtspunkten. Das Erholungsgebiet umfasst Grünflächen, Sport- und Spielbereiche sowie einen Landschaftssee zur Regenrückhaltung für das benachbarte Gewerbegebiet. Mit dem 1,4 Hektar großen und zwei Meter tiefen See im Bürgerpark konnte eine naturnahe Entwässerungslösung im Landschaftsschutzgebiet entwickelt werden. Der Normalwasserstand umfasst ein Volumen von 21.900 Kubikmeter. Bei Starkregen kann der See zusätzlich 15.700 Kubikmeter aus dem Gewerbegebiet speichern. 

ZKA: Wie werden lokale Gemeinschaften in die Formulierung grüner/blauer Strategien im Hinblick auf Umweltgerechtigkeit einbezogen?

RD: Ein gelungener Beteiligungsprozess lässt sich anhand des Masterplans Grün - Leipzig grün-blau 2030 beschreiben, der jetzt bald in den politischen Entscheidungsprozess gehen wird. Der Masterplan Grün soll sicherstellen, dass das Stadtgrün und die Gewässer in Leipzig auch in Zukunft den Anforderungen zum Erhalt der Lebensgrundlagen gerecht werden und eine hohe Lebensqualität in der Stadt gewährleisten. Er befasst sich mit der konkreten Gestaltung und Sicherung von Freiräumen und Flächen in Leipzig.

Um möglichst alle Zielgruppen, auch benachteiligte Gruppen, zu erreichen, fand ein umfassender, öffentlicher Beteiligungsprozess statt, bei dem die Leipziger Bürgerinnen und Bürger aktiv mitwirken konnten:

Seit Anfang 2019 wurden Online-Beteiligungen, Bürgerforen, Werkstätten und Spaziergänge – sogenannte Grüngänge - angeboten. Diese boten Raum für kreative Auseinandersetzung mit grün-blauen Themen. Insbesondere benachteiligte Gruppen sind durch öffentliche Beteiligungsprozesse oft schwer zu erreichen. Daher ist es wichtig deren Vertreter und entsprechende Akteure aktiv einzubinden.

ZKA: Herr Dittmar, vielen Dank für das interessante Interview!!

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