Schwerpunktthema: Hitzeaktionsplanung

Dr. Moritz Ochsmann (MO), stellvertretender Projektleiter des Zentrum KlimaAnpassung (ZKA), berät Kommunen und soziale Einrichtungen u. a. zu der Frage, wie sich Städte besser vor den gesundheitlichen Folgen von Hitzewellen schützen können. Als promovierter Geograph im Bereich Stadtentwicklung und Experte für Klimaanpassung untersucht er, wie Städte nachhaltig und resilient auf den Klimawandel reagieren können. Seine Schwerpunkte liegen auf der Hitzeaktionsplanung und der Förderung interkommunaler Kooperationen. 

ZKA: Wer ist durch Hitze besonders gefährdet und sollte daher in der kommunalen Hitzeaktionsplanung unbedingt berücksichtigt werden? 

MO: Bestimmte Personengruppen sind besonders durch Hitze belastet. Dazu zählen zum einen Menschen, die empfindlich auf hohe Temperaturen reagieren. Das sind vor allem Ältere, Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie Personen, die bestimmte Medikamente einnehmen, aber auch Kleinkinder und Schwangere. Letztere tragen ein doppeltes körperliches Risiko, da Hitze sowohl ihre eigene Gesundheit als auch die des ungeborenen Kindes gefährden kann. Außerdem spielen soziale Faktoren eine wichtige Rolle. Menschen in Armut, sozial Isolierte oder Wohnungslose haben nur begrenzte Mittel, um sich vor Hitze zu schützen. Ihnen fehlen häufig Informationen und der Zugang zu kühlen Räumen. Auch wer im schlecht gedämmten Dachgeschoss wohnt, ist besonders betroffen, das sind häufig auch Studierende. Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen sind mit Sprachbarrieren konfrontiert, evtl. kommen auch kulturelle Faktoren hinzu. Nicht zuletzt sind viele Personen Hitze am Arbeitsplatz ausgesetzt. Dazu zählen alle, die im Sommer unter freiem Himmel arbeiten, z.B. auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, aber auch Beschäftigte, die Schutzkleidung tragen müssen. Kommunale Hitzeaktionspläne (HAP) sollten all diese Gruppen besonders berücksichtigen, um eine umfassende und inklusive Prävention sicherzustellen. Grundsätzlich kann aber jede*r betroffen sein, abhängig von Alltag und Lebensumständen. Niemand sollte etwa während einer Hitzewelle zur wärmsten Tageszeit joggen gehen. Mangelnde Hitzekompetenz, also fehlendes Wissen, ist ebenfalls ein grundlegendes Problem, das weite Teile der Bevölkerung betrifft. Eine gezielte, verständliche Kommunikation ist daher essenziell für die kommunale Hitzevorsorge.   

Profilbild Moritz Ochsmann

Moritz Ochsmann (© Marcus Sielaff, difu)

ZKA: Welche Handlungsempfehlungen gibt es für Kommunen, um sich auf Hitzeperioden vorzubereiten? 

MO: Allgemeine Handlungsempfehlungen hat das Bundesumweltministerium bereits im Jahr 2017 veröffentlicht. Eine langfristige Planung ist unverzichtbar, um Kommunen besser gegen die Auswirkungen von Hitze und weitere Klimawandelfolgen zu wappnen. Maßnahmen wie Begrünung, Schwammstadt-Konzepte, Trinkbrunnen und schattige Plätze sollten fest in die Stadtentwicklung integriert werden. Bauliche Anpassungen wie die Entsiegelung von Flächen, die Einrichtung von Frischluftschneisen und die Integration von Wasser- und Grünflächen vermindern den Hitzeinseleffekt, also die Aufheizung der Stadt. Gleichzeitig darf der Fokus nicht allein auf den öffentlichen Raum beschränkt bleiben, da die meisten Menschen den Großteil ihrer Zeit nicht dort, sondern in unseren Wohnungen oder am Arbeitsplatz verbringen – dies gilt insbesondere auch für wenig mobile vulnerable Personen.  

Erfahrungen aus Frankreich - insbesondere seit der Hitzewelle von 2003 - zeigen, dass landesweite Hitzeaktionspläne, die auf Sensibilisierung und Solidarität setzen, besonders effektiv sind. Informationskampagnen und Hitzewarnungen können gezielt dazu beitragen, gefährdete Personen in ihrem Umfeld zu unterstützen. Solche Maßnahmen sind kostengünstiger und schneller umsetzbar als bauliche Veränderungen. Ein effektives Hitzewarnsystem, das mit konkreten Akutmaßnahmen verknüpft ist, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Frühwarnsysteme wie die des Deutschen Wetterdienstes oder die NINA-App sind wertvolle Instrumente, um die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren.  

Ergänzend dazu müssen kühle Räume für die Bevölkerung zugänglich gemacht und spezifische Kommunikationsmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen entwickelt werden. Für die erfolgreiche Umsetzung all dieser Maßnahmen ist eine enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich – zwischen Gesundheitsämtern, Umweltämtern, Bauämtern, sozialen Einrichtungen sowie weiteren Akteur*innen wie Apotheken und Ärzt*innen. Nur durch ein koordiniertes Vorgehen können Kommunen hitzeresilient gestaltet und ihre Bewohner*innen wirksam geschützt werden. 

ZKA: Wie kann die Umsetzung von Hitzeaktionsplänen in der Praxis gelingen? 

MO: Ein zentraler Aspekt im Umgang mit den Gefahren von Hitze ist die Sensibilisierung der Bevölkerung für die akuten Gefahren von Hitze sowie die Bedeutung von Solidarität mit vulnerablen Personen: Achtet aufeinander! Kommunale Akteur*innen, insbesondere die Gesundheitsämter, spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Eine enge Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen ist jedoch unverzichtbar, um umfassende und langfristige Maßnahmen umzusetzen. Die Reduzierung der Hitzeexposition kann unter anderem durch die Förderung von Grünflächen, die Integration von Wasserelementen sowie durch hitzeangepasstes Bauen sowie Dach- und Fassadenbegrünung erreicht werden. Verschiedene Praxisbeispiele zeigen, wie diese sich ergänzenden Ansätze erfolgreich umgesetzt werden können: Maßnahmen wie das Hitzetelefon in Kassel oder Köln, Refill-Kampagnen oder das „Grüne Zimmer“ in Worms tragen dazu bei, die Bevölkerung für die Risiken von Hitze zu sensibilisieren und praktische Lösungen aufzuzeigen.   

ZKA: Was ist Deine Vision für eine hitzeresiliente Stadt der Zukunft? 

MO: Damit wir auch in Zukunft gut, gerne und gesund in unseren Städten leben können, sollten Hitzeaktionsplanung und Klimaanpassung nicht als zusätzliche Aufgaben betrachtet werden, sondern als selbstverständlich in alle Prozesse der Stadtplanung und kommunalen Zusammenarbeit integriert werden. Stadtgrün und Wasserflächen als feste Bestandteile der Stadtplanung schaffen ganzjährig ein lebenswertes Umfeld. Eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung mit attraktivem ÖPNV motiviert die Menschen dazu, freiwillig das Auto stehen zu lassen. Außerdem brauchen wir ein stark vernetztes System von Akteur*innen, das präventiv arbeitet und zugleich schnell auf Hitzewellen und andere Extremwetterereignisse reagieren kann. Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft unsere Solidarität mit denjenigen stärken, die von Hitze besonders betroffen sind – beispielsweise durch Hitze-Patenschaften – und dass Politik und Bürger*innen gemeinsam an nachhaltigen Lösungen arbeiten.  

ZKA: Vielen Dank, Moritz Ochsmann, für die wertvollen Einblicke und Impulse. Wir freuen uns darauf, die Erkenntnisse weiterzutragen. 

Trinkbrunnen Maulaff am Schlossplatz in Aschaffenburg, Deutschland.

Trinkbrunnen Maulaff am Schlossplatz in Aschaffenburg, Deutschland.

© Fabian Weiss

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