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Extremer Starkregen kann überall auftreten

In unserem Interview zum Schwerpunktthema Starkregen sprachen wir mit Frau Dr. Elke Kruse zu ihren Erfahrungen mit der Konzeption und praktischen Umsetzung kommunaler Vorsorgemaßnahmen für extreme Wetterereignisse.

Dr. Elke Kruse ist Mitarbeiterin der Klimaleitstelle der Hansestadt Lübeck und dort für die Umsetzung des Klimaanpassungskonzeptes der Stadt zuständig.
Die Landschaftsarchitektin promovierte zuvor bei der HafenCity Universität Hamburg zum Thema „Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten“.
Ihr umfassendes fachliches Know-how zur wassersensiblen Stadtentwicklung für die Überflutungs- und Hitzevorsorge fließt in die Umsetzung des Klimaanpassungskonzeptes der Hansestadt Lübeck ein, das im September 2020 von der Lübecker Bürgerschaft beschlossen wurde.

Frau Kruse, drohen der Stadt Lübeck Extremwetterlagen mit Hochwasserfolgen, wie wir sie im Sommer in Westdeutschland erleben mussten?

Die Niederschlagsmengen sind im Prinzip auch in Lübeck denkbar. Das haben wir ja gesehen anhand von Münster im Jahr 2014 oder auch Kopenhagen in 2011. Extremer Starkregen kann überall auftreten. In Lübeck würden sich die Schäden eines Starkregenereignisses aber glücklicherweise nicht ganz so verheerend darstellen, wie wir es dieses Jahr zum Beispiel in NRW gesehen haben, da aufgrund der Topographie das Wasser bei uns keine so hohen Fließgeschwindigkeiten entwickeln kann.

Welche Vorsorgemaßnahmen hat die Hansestadt getroffen, um sich vor den Folgen dieser Extremwetterereignisse zu schützen?

Im September 2020 hat die Lübecker Bürgerschaft unser Klimaanpassungskonzept (kurz: KLAK) beschlossen. Dieses hat eine wassersensible Stadtentwicklung zum Ziel. In dieses Konzept flossen geobasierte Analysedaten, Ergebnisse aus fachübergreifenden Workshops sowie Diskussionen mit zahlreichen Akteur*innen aus der Verwaltung, der Fachöffentlichkeit und der Politik ein. Ergebnis des KLAK sind sowohl Analyse- als auch Maßnahmenkarten. Das heißt: Wir wissen zum Beispiel, wo es aufgrund der Topographie zu Überflutungen kommen kann. Und wir wissen auch, welche Maßnahmen wir in welchen Gebieten umsetzen sollten.

Beispielsweise gibt es im Hochschulstadtteil bereits seit einigen Jahren den Carlebachpark, der im Falle eines Starkregens multifunktional genutzt und dementsprechend überflutet wird. Zudem wird das Thema Überflutungsvorsorge verstärkt in der Bauleitplanung berücksichtigt. Es werden wasserwirtschaftliche Begleitpläne erarbeitet und z. B. Gründächer oder Notwasserwege vorgesehen, die Wassermassen so leiten, dass die bebauten Gebiete geschützt werden. 

Wie gehen Sie Klimaanpassung nun im „Alltagsgeschäft“ weiter an?

Klimaanpassung ist eine Querschnittsaufgabe, die viele verschiedene Fachbereiche betrifft. Insbesondere die Stadt-, Landschafts-, Verkehrs-, Grün- und auch die Bauleitplanung, die Stadtentwässerung, das Gewässermanagement im Allgemeinen und die Hafenentwicklung, aber auch die Wirtschaft und die Liegenschaften. Nur fach- und ressortübergreifend können wir ein Klimaanpassungskonzept erfolgreich umsetzen. Dazu haben wir eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen, um die Klimaanpassung in der Verwaltung erfolgreich zu verankern.

Ein anderer wichtiger Aspekt in Lübeck ist das Thema Denkmalschutz. Die gesamte hochverdichtete Innenstadt steht unter Denkmalschutz und zählt zum UNESCO Weltkulturerbe. Gleichzeitig wohnen hier zahlreiche Menschen. Hier sind kluge und innovative Konzepte notwendig, um innerhalb des stark begrenzten Raumes Anpassungsmaßnahmen zur Überflutungs- und Hitzevorsorge zu planen und umzusetzen, die den Status des Weltkulturerbes nicht gefährden. Klimaanpassung muss also auch mit dem Denkmalschutz und dem Lübecker Tourismus Management ganz anders gedacht werden.

Darüber hinaus wollen wir die Eigenvorsorge der Bürger*innen stärken. Einmal jährlich veranstalten wir zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Lübeck das Lübecker Starkregenforum, bei dem sowohl Fachleute als auch interessierte Bürger*innen zum Thema Starkregen diskutieren. Wir stehen also vor einer riesigen Kommunikations- und auch immer noch einer Sensibilisierungsaufgabe.

Was ist im Moment Ihr wichtigstes Klimaanpassungsprojekt?

Da gibt es mehrere. Zum einen ist es der Hitzeaktionsplan (Stufe 1), dessen Bestandsaufnahme genau aufzeigt, welche Maßnahmen bereits zur Hitzevorsorge in Lübeck angewendet werden und was wir zukünftig noch benötigen, um das Thema konsequent umzusetzen. Zudem ist seit kurzem unser Hitzeportal online, das wir gemeinsam mit Kolleg*innen aus dem Gesundheitsamt in Absprache mit zahlreichen weiteren Beteiligten hier aus der Stadtverwaltung entwickelt haben.

Außerdem sind wir seit Sommer diesen Jahres Praxispartner im Forschungsprojekt SEASCAPE baltic II, das die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels der Ostsee auf Lübeck und insbesondere unseren Stadtteil Travemünde untersucht. Ansonsten arbeiten wir derzeit daran, ein Pilotprojekt für blau-grüne Straßenräume zu initiieren, um sowohl die Überflutungs- als auch die Hitzevorsorge gemeinsam voranzubringen.  

Ferner hoffe ich, dass wir in 2022 mit dem Thema Starkregen-Risikokarte für Lübeck voranschreiten können. Ziel ist, u.a. das Risiko für sensible Einrichtungen und Bereiche, wie Krankenhäuser, Kitas, Altenheime oder auch andere soziale Einrichtungen zu bewerten und darzustellen. Dann können gezielt Anpassungsmaßnahmen geplant und umgesetzt werden.

Abschlussfrage: Wie können sich Bürger*innen im Fall der Fälle auf Extremwetter vorbereiten?

Im Rahmen des Forschungsprojektes i-Quadrat haben meine Kolleg*innen und unsere Projektpartner umfassende Informationen auf der Projekt-Homepage zusammengestellt. Entsprechende Hinweise befinden sich auch auf der Internetseite der Stadtverwaltung, die wir gerade um Hinweise zum Verhalten bei Starkregen ergänzt haben. Zudem gibt es dort eine Broschüre „Regen//Sicher//Lübeck“ mit einer Checkliste, der Erläuterung verschiedener Maßnahmen zur privaten Überflutungsvorsorge sowie unsere Hinweiskarte Starkregen. Dort kann jeder einsehen, welche Bereiche aufgrund der Topographie bei Starkregen überflutet werden könnten.

Mehr zum Projekt i-Quadrat

Wie kann man sich auf Starkregenereignisse vorbereiten und dabei lokal und regional kooperieren?
Um diese zwei Fragen ging es im Kern beim Projekt i-Quadrat, das im Dezember 2020 abgeschlossen wurde.
Ziel war der Austausch von Informationen innerhalb der Kommune sowie mit anderen Akteur*innen und der Bevölkerung.
Das Projekt wurde im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie DAS als kommunales Leuchtturmvorhaben
zur Anpassung an den Klimawandel mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert.

Betroffenheiten

Das Zentrum KlimaAnpassung gibt Orientierung, trägt zur Vereinheitlichung und Effizienzsteigerung von Prozessen bei und nimmt eine Lotsenfunktion bei der Klimaanpassung ein.

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