Kreis Siegen-Wittgenstein - Starkregenvorsorge WaldAktiv
Wälder und ihre Böden besitzen ein hohes Rückhalte- und Versickerungspotenzial für Niederschlagswasser und wirken sich damit insbesondere in waldreichen Regionen auf die Überflutungsvorsorge von Kommunen aus. Das Projekt WaldAktiv untersucht die Einbindung vorhandener Waldflächen in die kommunale Überflutungsvorsorge im Kreis Siegen-Wittgenstein.
Allgemeine Informationen
Ort/Einrichtung
Weiterführende Links
Ziele und Aktivitäten
Die klimawandelbedingte Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Starkregenereignissen auf der einen und die Zunahme der Flächenversiegelung auf der anderen Seite ziehen große Schäden durch Überflutungen in Kommunen nach sich. Insbesondere mittelgebirgsgeprägte Regionen wie der im Südosten von Nordrhein-Westfalen gelegene Kreis Siegen-Wittgenstein weisen gegenüber Starkregen eine erhöhte Vulnerabilität auf, da stark geneigte Hanglagen zu hohen Fließgeschwindigkeiten und daraus resultierenden Sturzfluten führen können. Sie stehen somit vor der Herausforderung, Oberflächenabflüsse in urbanen Gebieten zu reduzieren und den Wasserrückhalt in der Fläche zu erhöhen. Mit einem Flächenanteil von 71 % ist der Kreis Siegen-Wittgenstein der waldreichste Kreis Deutschlands (Wald und Holz NRW, 2017) und damit besonders gut geeignet, um entsprechende Potenziale zu ermitteln.
[Quelle: Wald und Holz NRW (2017)]
Ziel des Projekts WaldAktiv war die Entwicklung einer Methodik bzw. geeigneter planerischer und technischer Werkzeuge, um das Rückhalte- und Versickerungspotenzial von vorhandenen Waldflächen für die kommunale Starkregenvorsorge aktiv nutzbar zu machen. Es wurden vier Pilotgebiete mit potenzieller Gefährdung gegenüber Starkregen identifiziert, in denen Entwürfe zur Ableitung von Oberflächenabflüssen in Waldflächen entwickelt und hinsichtlich ihrer notwendigen Rahmenbedingungen, hydraulischen Wirkung und dem stofflichen Eintrag bewertet wurden. Neben der Auftakt- und Abschlussveranstaltung wurden 4 Fachworkshops zum Projekt durchgeführt, durch die verschiedene Akteur*innen eingebunden und vernetzt wurden. Die Ergebnisse werden in einem Leitfaden, der Empfehlungen und Hinweise zur Einbindung von Waldflächen in die kommunale Überflutungsvorsorge gibt, zur Verfügung gestellt; Zielgruppe sind insbesondere kommunale Fachämter und -abteilungen wie Stadt-, Verkehrs- und Bauleitplanung, Grün- und Freiflächenplanung, Tiefbau und Stadtentwässerung sowie die Forstwirtschaft.
Das Projekt WaldAktiv wurde vom Forschungsinstitut Wasser und Umwelt (fwu) der Universität Siegen in Kooperation mit dem Kreis Siegen-Wittgenstein durchgeführt.
Erkenntnisse
Am 8. März 2023 fand die Abschlussveranstaltung des Projekts WaldAktiv statt, in deren Rahmen neben wesentlichen Erkenntnissen und Ergebnissen auch der Leitfaden präsentiert wurde. Übergeordnetes Ziel des Leitfadens ist es, Waldflächen stärker in den Fokus der kommunalen Überflutungsvorsorge zu rücken. Der Leitfaden soll dabei nicht nur durch Empfehlungen und Hinweise bei der Identifizierung von Problembereichen und der Planung von Maßnahmen unterstützen, sondern auch im Allgemeinen für die Thematik sensibilisieren. Den Leitfaden ist öffentlich hier zu finden und damit auch für andere Kommunen frei verfügbar.
Zudem wurden die Ergebnisse der für den gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein durchgeführten Fließweganalysen in das Geoportal des Kreises implementiert. Die ermittelten Fließwege und die Verschneidung der Daten mit Wegen und Straßen zur Ermittlung sogenannter potenzieller linearer Abflüsse stellt nicht nur eigenständig einen großen Mehrwert für die Kommunen und die Forstwirtschaft dar, sondern ist auch eine ideale Ergänzung zur NRW-weit vorliegenden Starkregengefahrenhinweiskarte.
Klimawandelfolgen wie vermehrte Trockenheit und Hitze haben in den letzten Jahren im Kreis Siegen-Wittgenstein zu einem großflächigen Baumsterben geführt. So sind seit 2018 rund 25.000 ha Fichtenwälder von Borkenkäfern befallen worden und wurden anschließend kahlgeschlagen. Im Fokus der Forstwirtschaft steht aktuell vor allem die Wiederaufforstung der betroffenen Flächen. Auf den Kahlschlagsflächen muss bei Starkregenereignissen jedoch kurz- bis mittelfristig auch mit vermehrten Abflussmengen gerechnet werden, was insbesondere für die Unterlieger steiler Hanglagen zu einer Erhöhung des Überflutungsrisikos führen kann. Umso wichtiger ist es, dass ein enger Austausch zwischen den Kommunen und der Forstwirtschaft stattfindet, denn Überflutungsvorsorge ist eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe, die die Einbindung und Kooperation verschiedener Fachabteilungen erfordert.
Waldflächen und ihre wertvollen Waldböden weisen langfristige Rückhaltefunktionen für Niederschlagswasser auf, verzögern Abflussspitzen und sollten daher nicht zuletzt aus Sicht und im Kontext der kommunalen Überflutungsvorsorge als schützenswerte Flächen betrachtet werden. Ihr Verlust führt oftmals zu einer Erhöhung von Überflutungsgefahren und wirkt sich daher negativ auf die Überflutungsvorsorge von Kommunen aus. Waldböden können jedoch keine unbegrenzten Mengen an Wasser speichern, sodass die Retentionskapazität in Abhängigkeit der Bodenart auch bereits bei häufig auftretenden Starkregenereignissen erschöpft werden kann. Zudem können lineare Strukturen wie Waldwege, Wegseitengräben oder Rückegassen zur Sammlung und Konzentration von Oberflächenabflüssen sowie einem schnellen Abfluss aus der Landschaft führen und damit dem Wasserrückhalt zusätzlich entgegenwirken.
Umso wichtiger ist es, Niederschlagswasser am Ort der Entstehung zurückzuhalten und die Konzentration von Abflüssen zu vermeiden. Der Fokus muss daher auf die Ursachen von Oberflächenabflüssen gelegt werden. Hierzu bedarf es der Umsetzung vieler kleiner Maßnahmen in den Ursprungsbereichen (z. B. regelmäßige Abschlagsmulden im Bereich linearer Strukturen sowie zusätzliche Rückhaltemöglichkeiten).
Mit Veröffentlichung der Projektergebnisse und des Leitfadens kann WaldAktiv in Zukunft auch für andere Kommunen eine Hilfestellung bieten. So können die Kommunen selbst tätig werden und ihre Wälder klimaangepasster gestalten.