Katharina Nießner

Interview mit Katharina Nießner

Klimaanpassungsmanagerin Stadt Kassel, Umwelt- und Gartenamt, Abt. Umweltplanung

8 Fragen – 8 Antworten

1. Wo arbeiten und wirken Sie?

Ich arbeite in der Stadt Kassel (ca. 205.000 EinwohnerInnen) – ziemlich mittig in Deutschland, in Nordhessen.

Die Stadt liegt in einem Talkessel, durch den die Fulda fließt. Auf der Westseite der Stadt liegt der Habichtswald, der uns mit Frischluft versorgt, die von den Berghängen in Richtung Stadt fließt. Auch Kaltluft entsteht in der direkten Umgebung der Stadt und strömt zum Teil nach Innen. Durch die Kessellage staut sich allerdings auch Hitze im Stadtgebiet.

2. Wie sind Sie Klimaanpassungsmanager*in geworden?

Zu meiner Stelle als Klimaanpassungsmanagerin kam ich über eine Stellenausschreibung der Stadt, auf die mich ein Freund aufmerksam gemacht hat. Meine Stelle wird über die Kommunalrichtlinie zum Teil aus Bundesmitteln gefördert.

Meinen Bachelor habe ich in Biodiversität und Ökologie gemacht, danach habe ich nachhaltige Stadtentwicklung (Sustainable Urban Planning and Design) in Stockholm studiert. Inhalt des Studiums dort waren Klimaschutz und nachhaltiges Verhalten, nachhaltiges Bauen, aber auch andere Themen wie Stadtökonomie, Umweltgerechtigkeit und Governance. Aufgrund des steigenden Meeresspiegels war das Thema Resilienz gegenüber Klimawandelfolgen ebenfalls ein zentrales Thema.

Katharina Nießner

Klimaanpassungsmanagerin Katharina Nießner

3. Mit welchen Herausforderungen der Klimakrise ist Ihre Kommune konfrontiert?

Durch den städtischen Kontext und in der bereits erwähnten Kessellage ist das Thema Hitze besonders relevant! Die Hitze betrifft vor allem den dicht bebauten Innenstadtbereich, sowie Industriegebiete. Dort sind besonders Begrünungsmaßnahmen und eine gute Durchlüftung gefordert.

Aber auch Starkregen ist ein Thema, da davor natürlich keine Kommune sicher ist. Er kann überall zu Problemen führen, wobei auch hier der stärker versiegelte Bereich ein Fokus ist. Das Flusshochwasser ist vor allem an den Fuldaauen relevant, hier gibt es aber bereits mehr Erfahrung in Verwaltung und Bevölkerung als zu den anderen Themen.

4. Welche Klimaanpassungsmaßnahmen wurden oder werden noch in Ihrer Kommune umgesetzt?

In Kassel gibt es schon seit 2009 eine Klimafunktionskarte – also eine Analyse der Durchlüftungsbahnen, Kalt- und Frischluftentstehungsgebiete, sowie Wärmeinseln in der Stadt. Diese wurde vor einigen Jahren auch noch einmal aktualisiert. Passend dazu wurde auch ein Klimaschutzteilkonzept zur Anpassung an den Klimawandel erstellt. Dieses sieht verschiedene Maßnahmen vor, zum Beispiel mehr Grün in der Stadt, weniger versiegelte Flächen, sowie einen Schutz der Durchlüftungsbahnen – diese Maßnahmen müssen nun umgesetzt werden. Aktuell ist eine Starkregengefahrenkarte in Erarbeitung, die uns auch für diesen Bereich eine gute Datengrundlage bietet. Schon seit einigen Jahren gibt es bei uns ein Hitzetelefon – dort können sich ältere Menschen anmelden und werden dann an besonders heißen Tagen beraten, wie sie sich in ihrer Umgebung am besten vor Hitze schützen können. Außerdem entstehen gerade Urbane Waldgärten in Kassel – das sind sozusagen essbare Wälder, die einen klimatisch angenehmen Rückzugsort schaffen, die direkte Umgebung kühlen, und Wasser zurückhalten.

5. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Klimaanpassungsmanager*in Ihrer Kommune?

Innerhalb der Stadtverwaltung ist eine meiner wichtigsten Aufgaben das Vernetzen von AkteurInnen und das Strukturieren von Prozessen zur Klimaanpassung. Viele Menschen in der Verwaltung denken bestimmte Aspekte der Klimaanpassung schon mit, andere noch nicht. Manchmal ist es also wichtig, Grundlagen zu erklären und einen Bezug zum Alltag herzustellen, manchmal wissen andere in einem Spezialgebiet weit mehr als ich – da ist es dann meine Aufgabe, einen Weg zu finden, dass ein Austausch stattfindet und das Wissen auch genutzt wird. Manchmal ist auch Überzeugungsarbeit gefragt, nicht überall ist bewusst wie dringend die Klimaanpassung ist – es gibt einfach so viele Themen innerhalb einer Stadt, und da ist Klimaanpassung dann erstmal eines von vielen.

Abgesehen von dieser eher strukturellen Arbeit ist mein Hauptfokus die Projektarbeit – die Maßnahmen aus dem Klimaschutzteilkonzept Klimaanpassung wollen umgesetzt werden, das bedeutet Projektpläne erstellen und vorstellen, Koordination und Beantragung von Fördermitteln, inhaltliche Begleitung von Projekten und Evaluation/Monitoring. Manchmal ist es außerdem meine Aufgabe, mich ‚einzumischen‘ – bei Projekten, Konzepten, Plänen reinzuschauen, und Hinweise zu geben, wie Klimaanpassung gleich mitgedacht werden kann.

6. Welches sind die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag?

Die oben beschriebene Vernetzung und das Etablieren eines Themas, das – fast wie der Klimaschutz – eigentlich überall mitgedacht werden müsste, ist herausfordernd. Zum einen müssen Menschen zusammengebracht werden, die in sehr verschiedenen Bereichen und mit verschiedenen Kenntnissen arbeiten, und bisher nichts miteinander zu tun hatten. Zum anderen muss mensch sich natürlich auch erstmal selbst einen Überblick verschaffen – was als Berufseinsteigerin in einer großen Verwaltung schwierig sein kann.

Eine weitere Schwierigkeit ist eine etwas unklare Rechtsgrundlage. Häufig bin ich auf die persönliche Überzeugung anderer angewiesen, weil die Klimaanpassung zwar schon als Aufgabe der Kommunen verankert ist, aber es fehlt an konkreten Pflichten und Zielen, auf die ich mich berufen kann. An manchen Stellen fehlen auch wissenschaftliche Erkenntnisse – zum Beispiel welche Dimensionen eine Luftleitbahn haben muss, damit sie noch funktioniert und ausreichende Mengen Luft transportiert. Solange das unklar ist, ist es schwierig, sie entsprechend zu schützen.

7. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften braucht eine Klimaanpassungsmanager*in?

Um Klimaanpassung voranzubringen, brauche ich eine gute Selbstorganisation und die Fähigkeit, zu priorisieren. Da das Thema neu ist, kommen plötzlich ganz viele Themen und Menschen dazu, wenn es einmal auftaucht. Auch die Förderlandschaft muss mensch immer im Blick haben, weil sich hier aktuell viel verändert. Entscheidungen zu treffen, welches Thema als nächstes adressiert werden kann und wer mit wem sprechen müsste, ist eine wichtige Kompetenz für diese Rolle.

Außerdem muss ich nach Unterstützung fragen können – es gibt viele Beratungsangebote, erfahrene KollegInnen und andere KlimaanpassungsmanagerInnen, auch in anderen Städten, die mir bei meinen Schwierigkeiten helfen können – diese Ressourcen sollten genutzt werden.

Hilfreich sind sicherlich auch analytische Fähigkeiten und wissenschaftliche Kenntnisse, um auf dem aktuellen Stand der Forschung zu bleiben und diese Informationen in das tägliche Handeln oder Empfehlungen bei Projekten einfließen zu lassen.

Schließlich bleibt noch Durchhaltevermögen – wie bei jedem neuen Thema ist gerade der Anfang sicherlich nicht schnell und einfach gemacht, aber es lohnt sich. 😀

8. Wenn Sie sich als Klimaanpassungsmanager*in etwas wünschen könnten, was wäre das?

Ich würde mir von Bundesseite ein Klimaanpassungsgesetz wünschen, das dazu führt, dass der Belang zur Pflichtaufgabe wird, mit konkreten Zielen und Definitionen, auf die man sich berufen kann, das würde gerade die Etablierung in anderen Bereichen als dem Umweltbereich erleichtern.

Auch eine bessere (und vor allem langfristige) Finanzierung von Bund oder Ländern wäre wünschenswert. In vielen Kommunen bleibt es sonst bei einem Konzept und einem zeitlich begrenzten Projekt. Auf Dauer wird hier sicherlich auch mehr Personal benötigt – ein*e Klimaanpassungsmanager*in (wie in vielen Kommunen üblich) kann unmöglich alle Themenbereiche betreuen.

Von der Öffentlichkeit wünsche ich mir, dass sich nach und nach ein Verständnis dafür entwickelt, dass Klimaschutz und Klimaanpassung zwar Hand in Hand gehen, aber nicht das Gleiche sind, und dass Klimaanpassung ein dringend notwendiger Selbstschutz ist, zu dem alle beitragen können, und von dem auch alle profitieren.

Im Auftrag des: