Lotta Becker
Interview mit Lotta Becker
Klimaanpassungsmanagerin Stadt Braunschweig, Fachbereich Umwelt der Abt. Klimaschutz und strategische Umweltplanung Abt. Umweltplanung
8 Fragen – 8 Antworten
1. Wo arbeiten und wirken Sie?
Ich arbeite bei der Stadt Braunschweig im Projekt „Co-Adapted Braunschweig - durch Co-Creation gemeinsam an den Klimawandel anpassen“ (COABS). Meine Stelle ist am Fachbereich Umwelt in der Abteilung Klimaschutz und strategische Umweltplanung verortet. Die „Löwenstadt“ Braunschweig zeichnet sich als historisch gewachsene Großstadt mit 250 000 Einwohner:innen durch eine lebendige Innenstadt, grüne Ringe an Oker-Umflut und Ringgleis, ein breites Kulturangebot sowie als dynamischer Wirtschafts- und Forschungsstandort aus. Alle alltäglichen Ziele sind gut mit dem Fahrrad zu erreichen - das macht für mich den Charme der „kleinen Großstadt“ aus.
2. Wie sind Sie Klimaanpassungsmanager*in geworden?
Klima- und Umweltthemen beschäftigen mich seit der Schulzeit. Seitdem begleiten mich der Wunsch, zu einem sozial-ökologischen Wandel der Gesellschaft beizutragen sowie eine ordentliche Portion Zukunftsmut in all meinen Tätigkeiten. So auch im Freiwilligen Ökologischen Jahr in einem Umweltbildungszentrum und meinem Studium in den Bereichen Geographie sowie Landschaftsnutzung und Naturschutz. In meiner Zeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde bot sich mir die Gelegenheit, mein Engagement für eine lebenswerte Zukunft als Organisatorin einer Solidarischen Landwirtschaft aufzunehmen. Außerdem lernte ich als studentische Vertreterin im Fachbereichsrat der Hochschule, wie wichtig die Gestaltung struktureller Prozesse für den Wandel ist. Das Wissen aus dem absolvierten Querschnittsstudiengang sowie die Kompetenzen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten helfen mir nun bei meinen Aufgaben im Bereich der Klimaanpassung. In der Stadt Braunschweig gibt es bisher keine Stelle, die den Titel Klimaanpassungsmanagement trägt. Die Stadt möchte bis spät. 2030 eine Klimaanapassungsstrategie erstellen. Ich bin als Projektmitarbeiterin befristet angestellt und begleite und organisiere hierbei den umfassenden Beteiligungs/Co-Creation Prozess zur Erarbeitung von Wissens- und Erfahrungsbausteinen, die für die spätere Aufstellung einer Klimaanpassungsstrategie von Bedeutung sind.
3. Mit welchen Herausforderungen der Klimakrise ist Ihre Kommune konfrontiert?
Für Braunschweig wird bis zum Ende des Jahrhunderts unter dem „Weiter-so-wie-bisher“-Szenario ohne wirksamen Klimaschutz (RCP8.5) von einer Temperaturzunahme um 3,6 °C ausgegangen. Bereits heute zeigt sich der Trend, dass Frost- und Eistage abnehmen und Sommertage sowie heiße Tage zunehmen. Durch den städtischen Wärmeinseleffekt sind vor allem dicht bebaute und stark versiegelte Stadtbereiche von Hitzewellen besonders betroffen. So konnten in innerstädtischen Bereichen im Vergleich zum Umland bis zu 7 °C höhere Temperaturen nachgewiesen werden. Trockenheit ist die nächste große Herausforderung für die Stadt, durch die höheren Temperaturen steigt die Verdunstung, Böden trocknen aus und die Wasserverfügbarkeit nimmt ab. Nicht nur zu wenig Wasser, auch zu viel Wasser wird in Zukunft für Probleme sorgen. Denn durch die höheren Temperaturen kann die Luft mehr Wasserdampf aufnehmen. Dadurch steigt das Potential für Starkregen an. Die Risiken, die diese Klimaänderungen mit sich bringen, analysieren wir aktuell in den Bereichen Wasser, Boden, Mensch und Gesundheit sowie Naturschutz und Biodiversität.
4. Welche Klimaanpassungsmaßnahmen wurden oder werden noch in Ihrer Kommune umgesetzt?
Wir befinden uns derzeit in der Erstellung einer Anpassungsstrategie, daher ist der strategische Prozess der Maßnahmenaufstellung noch im Werden. Als wichtige Grundlagen zur Analyse der Klimarisiken existieren bereits eine Stadtklima- sowie eine Starkregenanalyse. Beeindruckend ist, wie viele Aktivitäten es bereits in der Stadt Braunschweig gibt. Beispielsweise werden Fassaden und Dächer von städtischen Gebäuden begrünt, ein Schulhof klimaresilient umgestaltet, mobiles Grün in der Innenstadt platziert und bei der Auswahl von Straßenbäumen darauf geachtet, klimaresiliente Arten auszuwählen. Förderprogramme unterstützen Bürger:innen dabei, Dächer, Fassaden und Grundstücke zu begrünen sowie Baum- und Obstgehölze zu erhalten. Eine Veranstaltungsreihe im Bereich Klima und Gesundheit informiert seit mittlerweile einem Jahr u.a. zu Themen der Klimaanpassung und bringt Akteure zusammen. Mit der Anpassungsstrategie beabsichtigen wir, unsere Ressourcen und Kräfte zu bündeln, um mehr Strahlkraft für die Themen der Klimaanpassung zu erlangen, sodass zukünftig effektive Anpassungsmaßnahmen systematisch umgesetzt werden.
5. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Klimaanpassungsmanager*in Ihrer Kommune?
Das COABS-Projekt ist ein Verbundprojekt zwischen Stadt und Technischer Universität. Mit Hilfe des Co-Creation Ansatzes wollen wir im Laufe des Projektes Menschen aus Verwaltung, Wissenschaft, Vereinen, Verbänden sowie Bürger:innen zusammen bringen und eine kollaborative Zusammenarbeit fördern. Das erfordert viel Kommunikation und Vernetzung. Ich organisiere Netzwerktreffen sowie Beteiligungsformate und koordiniere die Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt. Gleichzeitig laufen bei mir die verschiedenen Projektstränge zusammen, sodass ich bei Klimarisikoanalyse, Maßnahmenentwicklung und Klima-Pilotprojekten die Schnittstelle zwischen den einzelnen Handlungsfeldern im Projekt bilde.
6. Welches sind die größten Herausforderungen im Arbeitsalltag?
Die zahlreichen Aufgaben alle unter einen Hut zu bringen und gleichzeitig die unheimlich schnell ablaufenden aktuellen Entwicklungen auf gesetzlicher und struktureller Ebene sowie die sich rasant ändernden klimatischen Einflüsse im Blick zu behalten ist mitunter herausfordernd. Gleichzeitig sind beim Querschnittsthema Klimaanpassung immer wieder Zuständigkeiten oder die Formen der gemeinsamen Zusammenarbeit sowie deren Möglichkeiten und Grenzen noch nicht abschließend geklärt. Aufgrund der thematischen Breite des Themas ist eine integrierte Zusammenarbeit mit zahlreichen Wissensträger:innen zukünftig unabdingbar. Für diese integrierte Zusammenarbeit gilt es die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.
7. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften braucht eine Klimaanpassungsmanager*in?
Ich denke, dass ein gewisses Kommunikationsgeschick den Alltag wesentlich erleichtert. Dazu gehört auch, in den richtigen Momenten Fingerspitzengefühl zu beweisen und in anderen Situationen Durchsetzungskraft an den Tag zu legen. Da uns das Thema Klimaanpassung in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich ein treuer Begleiter sein wird, werden ein langer Atem sowie Hartnäckigkeit und der Mut, neue Dinge zu wagen, wenn es an die Umsetzung konkreter Maßnahmen geht, unverzichtbar sein.
8. Wenn Sie sich als Klimaanpassungsmanager*in etwas wünschen könnten, was wäre das?
Mehr Zeit - sowohl im Sinne eines weniger schnell kippenden Klimasystems als auch im Bereich der personellen Ressourcen, um den Folgen des Klimawandels adäquat begegnen zu können.